OB-Wahl in Meißen: Gutmenschen können auch gewinnen

Sachsens Schlichter und Streiter Frank Richter ist auf dem Weg zum Meißener Oberbürgermeister. Er setzt sich gegen eine sonst starke AfD durch.

Frank Richter lächelt in die Kamera

Frank Richter war unablässig auf der Straße, sprach auf Foren, hörte zu Foto: dpa

Ausgelassene Stimmung am Sonntagabend im Festsaal des Meißener Rathauses. Bei der Wahlparty von Frank Richter, dem parteilosen Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters, brandet bei jeder neuen Anzeige des Auszählungsstandes Jubel auf. Lieder werden angestimmt, eine Pianistin spielt spontan eine Chopin-Polonaise.

Denn Frank Richter, Theologe, Bürgerrechtler, Moderator, Direktor der Landeszentrale für Politische Bildung und Versteher der sächsischen Seele, hat im ersten Wahlgang überraschend die Nase vorn. Mit 36,7 Prozent lässt er den von der CDU favorisierten Amtsinhaber Olaf Raschke um vier Punkte hinter sich.

Eine wenige Tage zuvor von der Sächsischen Zeitung veröffentlichte Umfrage lag bei vier der fünf Kandidaten völlig daneben. Entsprechend ehrlich ist die Überraschung und groß die Freude bei der Bürgerinitiative „Bürger für Meißen“, die den unabhängigen Kandidaten Richter unterstützt hat. Die feiert ihn und sich selbst in einem Lokal der Innenstadt bei Meißner Wein weiter. Vergleiche mit Macrons „En marche“-Bewegung in Frankreich werden gezogen.

Die da feiern, lassen sich unschwer dem Bildungsbürgertum zuordnen. Liedermacher wie Hans-Eckardt Wenzel oder Gerhard Schöne, die im Wahlkampf auftraten, sprechen dafür. Aber sie allein hätten die Stimmen nicht gebracht. Einwohner loben die Kompetenz des Kandidaten. Was ihm als Landeszentralen-Direktor, Moderator oder Buchautor manchmal die Kritik an allzu viel Toleranz einbrachte, erweist sich für das angestrebte Oberbürgermeisteramt als Bonus. Frank Richter war unablässig auf der Straße, sprach auf Foren, hörte zu. Er habe das Kommunikationsdefizit und die Klüngelwirtschaft in Meißen aufgebrochen, ist zu hören.

„Wenn Bürger sich als Citoyens und nicht mehr als Untertanen verstehen, wenn sie sagen, das Gemeinwohl unserer Stadt ist unsere Angelegenheit und nicht die einer imaginären Obrigkeit, dann steht die Demokratie auf sicheren Füßen“, bedankt sich Richter.

Meißen will er als Modellfall verstanden wissen. Immerhin gelang es so, den AfD-Kandidaten bei 13,7 Prozent zu halten, während zur Bundestagswahl noch jeder Dritte dessen Partei wählte. Von diesem Stil der Erneuerung träumt eigentlich die CDU des Ministerpräsidenten Michael Kretschmer. Die aber schmäht ihr ehemaliges Parteimitglied oder äußert sich herablassend. Amtsinhaber Olaf Raschke erscheint nicht einmal im Rathaussaal. In den zweiten Wahlgang am 23. September geht sein Herausforderer Richter nun als Favorit.

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