Konzert von Dionne Warwick: Jede Menge Liebe im Gepäck

Eine ganz Große: Dionne Warwick, 77 Jahre alt, gibt ein leidenschaftliches Konzert in Glasgow – ihre Familie hat sie auch mitgebracht

Dionne Warwick lächelt

Sie hat feinstes Modulationsgefühl in der Stimme: Dionne Warwick Foto: reuters

Starker Beifall im Armadillo von Glasgow, als sie auf die Bühne schreitet, mit einem Lächeln im Gesicht. Fast wäre sie über ein unachtsam liegen gebliebenes Kabel zu Fall gekommen, aber dann sitzt sie hier, in diesem Revuetheater am Clyde, auf ihrem hohen Stuhl am Flügel: Gleißend silbriger Kurzhaarlook, wenig Schmuck an den Händen, mit türkisfarbenem Oberteil, die Hose in Anthrazit, die Fingernägel in Weiß, das Schuhwerk irgendwie highheelig. Sprich: Das Äußerste an Eleganz in dezenter Würde.

Und so sagt sie, während ihr Pianist wie in einem noblen Jazzclub ein bisschen dazu klimpert: „Oh, ich bin glücklich, hier bei Ihnen zu sein, ich werde alles tun, damit Sie glücklich sein werden. Manche sagen ja nach einem Konzert, okay, viele schöne Lieder, aber mein Lieblingssong war nicht dabei. Ich sage Ihnen, ich werde alles singen, was Sie kennen – niemand soll enttäuscht sein.“

Gesagt, getan. Dionne Warwick, gelernte Gospelchanteuse, die Mitglied von Girl Groups bis Anfang der Sechziger war und dann von Burt Bacharach auserkoren wurde, seine Lieder zu singen, intoniert alle Hits: „Walk on by“, „Message to Michael“, „Close to you“,„Alfie“, „The look of love“ und buchstäblich alle Songs, die mit ihr und mit Bacharach verbunden werden – und die das Zeitgefühl der Sechziger punktgenau trafen.

Zweifel und Zwiespältigkeiten

Lieder, die von Zweifeln und Zwie­spältigkeiten handeln, von Kummer, Leid und auch der Leichtigkeit der Liebe, die jedoch nicht mehr im Hoffnungspomp erstickt wird: Die Warwick, das war zu ihrer jugendlichen Zeit jene Sängerin, die in den USA nicht mehr als Solistin promotet wurde – wie etwa Aretha Franklin, auch Motown-Frauen wie Diana Ross –, als ästhetische Figuren der afroamerikanischen Selbstbehauptung und Siegeswillens.

Die Warwick, das war Pop, Nachtclub, Las Vegas, Atlantic City – das war nicht Stimmkraft, sondern feinstes, jazziges Modulationsvermögen. Und die beherrschte diese Sängerin aus dem Effeff.

Ihre Versuche, im hitzigeren Soul Fuß zu fassen, etwa mit dem Lied „You can have him“, war dann doch zu viel für ein weißes Publikum, das diese kalte, verzweifelte Wut einer Rivalin um einen Mann als zu intensiv empfand. Also Bacharach – immer wieder dieser so smarte, tolle Komponist, der mit Texterfreund Hal David in den Sixties die geschmackvollen Stücke fertigte – durchaus anspruchsvoll zu interpretieren.

Die Warwick, jüngst noch in der Elbphilharmonie, in der Royal Albert Hall von London, demnächst in Perth und Adelaide, hatte andererseits immer mit dem Ruf zu kämpfen, wenig von der robusten Wärme zu haben, die etwa die Franklin verströmte. Das war sozusagen angenehm enttäuschend: Eine Frau von 77 Jahren, die anfangs auf jeden Beweis verzichtete, dass ihre Stimme immer noch volle Kanne geben kann – und es dann doch im Laufe der knapp zwei Stunden, ohne Pause, tat.

Wie sehr das Leise eben auch zur Stimmkraft zählte, wie heftig Dionne Warwick auch als begleitende, sozusagen tonpunktierende Stimme schwerst in der Ko-Rolle sein kann, war hörbar, als sie eine junge Sängerin auf die Bühne bat, die sie als Cheyenne vorstellte: ihre Enkelin.

Die ist auch als Sängerin unterwegs – und wie! Nichts, wirklich gar nichts an ihrer Stimme ist schwächlich, ihre Fassung von „That’s what friends are for“ würde jeden Tonmischer glücklich stimmen – und doch war in diesen drei Minuten auch hörbar, wie sehr Dionne Warwick, ihre Oma, den Rang als allererste Popsängerin ihrer Zeit auch verdient.

Handwerklich kann nichts gegen ihre Enkelin vorgebracht, nur, dass die Warwick eben diese leichte Distanziertheit im Timbre zur Kunst formt, selbst in den zartesten Passagen.

Und dann war da noch ein Mann am Schlagzeug, der den Klassiker „I say a little prayer“ ins Auditorium schickte. Jüngeren ist dieses Couplet aus dem Bacharach-Warwick-Oeuvre am stärksten bekannt, weil er 1997 im Julia-Roberts-Film „Die Hochzeit meines besten Freundes“ den Kern des Soundtracks markierte.

Dionne Warwick legte los, mit Minimalmoves, deshalb körperlich umso präsenter – ehe sie dann von jenem Mann an den Drums überröhrt wurde: Wer darf das – dem Star stimmlich so erfrischend nahe kommen? Sie erläuterte mit mütterlicher Zufriedenheit, zeigte auf ihn, den jungen Mann, im Hintergrund, „he is my eldest son, David Elliott“. Prasselnde Freude beim Publikum, ein eher vorsichtiges Dankeslachen dessen, der eben auch der Vater von Cheyenne ist.

Dafür sind Freunde da

Und Dionne Warwick, die offenbar für ihre womöglich letzte Welttournee ein bisschen Heimat und ein bisschen Familie mitgenommen hat, weil es doch arg langweilig wäre all die Monate fern von Zuhause in L.A., lächelte stolz auf ihre Nachkommen.

Politische Botschaften mussten nicht erwartet werden, Dionne Warwick war nie Kämpferin mit eindeutigen Botschaften; wo sie politisch-moralisch steht, ist, ausweislich ihres Engagements bei karitativen Gigs oder in „That’s what friends are for“, ohnehin klar. Was sie sagte, war nur: „Love is the answer“, die Liebe ist die Botschaft, nicht Hass.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.