Kommentar Sonderbericht des Klimarats: Tempo, Tempo, Tempo!

Die Erderwärmung aufzuhalten ist möglich – braucht aber schnelles Handeln. Deutschland ist dafür trotz bester Voraussetzungen nicht bekannt.

Blick auf Korallen unter Wasser. Lichtstrahlen fallen nach unten

Wärmeres Wasser bedeutet für Korallenbänke schlechtere Lebensbedingungen Foto: ap

Man muss keine Dissertation in Physik geschrieben haben, um die Botschaft des Weltklimarats zu verstehen: Wenn die Erderwärmung und damit unkalkulierbare Risiken für Gesundheit, Wirtschaft, Ernährung und Sicherheit von Millionen von Menschen einigermaßen begrenzt werden sollen, muss es jetzt schnell gehen. Runter mit den CO2-Emissionen, her mit den Alternativen zu Kohle, Öl und Gas, massives Energiesparen, ein anderer Lebensstil jenseits von Steak und Billigflügen.

Was die Forscher in trockener Sprache auf Hunderten Seiten aufgeschrieben haben, ist im Grunde einfach: Wenn wir weiter in diesem Ausmaß CO2 in die Atmosphäre pumpen, geht das schief. Wir haben noch bis Mitte des Jahrhunderts Zeit für eine Kohlenstoffdiät. Und wir müssen sofort anfangen. Am besten gestern. Da macht es auch keinen großen Unterschied, dass nach den neuen Zahlen unsere Gnadenfrist ein paar Jahre länger ist – auch wenn das die Kohlelobby sofort als Argumente nutzen wird, erst mal weiter nichts zu tun.

Die Elite der globalen Wissenschaft schreibt aber auch: Es ist machbar. Die weltweite Energiewende hat begonnen, die Techniken sind da. Wir müssen nur wollen. Verschiedene Politikinstrumente machen einen großen Unterschied: Ein Preis für den CO2-Ausstoß, die Förderung sauberer Techniken, andere Gewohnheiten beim Verkehr, Essen und Produzieren – all das wird darüber entscheiden, ob der Klimawandel aus dem Ruder läuft oder nicht.

Aber auch hier ist die Botschaft klar: Das Tempo, mit dem das geschehen muss, ist atemberaubend. Noch nie hat die Menschheit so schnell von einer Technik Abschied genommen und eine neue installiert wie es mit den fossilen Rohstoffen nötig ist, um 1,5 oder 2 Grad Erderwärmung noch zu halten.

Und hier kommt die Ohrfeige für die deutsche Regierung. Deren Klima-und Energiepolitik steht unter der Überschrift „Verzögern!“ Das Klimaziel bis 2020 wurde aufgegeben, jetzt gilt 2030. Vor einem schnellen Ausstieg in den Kohleausstieg scheut die Regierung zurück. Der Ausbau der erneuerbaren Energien geschieht allenfalls halbherzig. Die Autobauer werden davor geschützt, bis 2030 ernsthaft ihren Spritverbrauch zu reduzieren. Die Energieeffizienz, etwa in Gebäuden, bleibt der schlafende Riese, der entspannt weiterschnarcht.

Vor der Dringlichkeit, die aus jeder Zeile des IPCC-Berichts quillt, verschließt Berlin die Augen. Die Forscher werben für die Rolle eines Klimaschutz-Vorreiters, auch mit wirtschaftlichen Argumenten. Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt, wir haben die Technik, die Wirtschaftskraft und die politische Stabilität. Aber diese Bundesregierung will sich nicht bewegen, schon gar nicht schnell. Da hilft auch keine Bundeskanzlerin mit einem Doktortitel in Physik.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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