Umsetzung des Mobilitätsgesetzes: Der Radverkehr wirft seine Netze aus

Vier Pro-Fahrrad-NGOs haben dem Senat ihren Vorschlag für künftige Radverkehrsverbindungen unterbreitet.

So wie diesen – mittlerweile wieder entfernten – Radweg in Zehlendorf erleben viele RadlerInnen ihre Wege durch die Stadt: Immer wieder werden Umwege fällig Foto: dpa

Der Beamer projiziert zwei Linien an die Wand: eine, die immer wieder grob abknickt – fast wie jener absurde Zehlendorfer Radweg, der kürzlich im Netz viral ging. Und eine sanft ondulierende Wellenlinie. Letztere soll das künftige Wesen von Rad-Verbindungen darstellen, erläutert Evan Vosberg vom ADFC: „Die perfekte Gerade wird es meist nicht sein, aber mit dem Radverkehrsnetz der Zukunft verabschieden wir uns von vielen Umwegen, die RadfahrerInnen heute auf dem Weg durch die Stadt machen müssen.“

Dieses Netz der Zukunft präsentiert Vosberg am Donnerstagmorgen zusammen mit Kollegen von Changing Cities e. V., BUND und VCD. Eine offizielle Planung ist es freilich nicht, sondern ein Vorschlag, den die vier Pro-Rad-Organisationen der Senatsverkehrsverwaltung unterbreiten – man könnte es auch als Geschenk an die überlastete Behörde bezeichnen.

Ehrenamtliche Arbeitsgruppen haben sich in den Bezirken den Kopf darüber zerbrochen, wie die optimale Kombination von Neben- und Hauptverkehrsstraßen sowie den oft als „Highways“ etikettierten Radschnellwegen aussehen könnte. Das Ergebnis, ein Stadtplan mit mehreren Netz-Schichten, ist online einsehbar.

Sonderwege durch Parks

5.600 Kilometer Straße hat Berlin, rund 1.000 Kilometer davon wollen die AktivistInnen dem Radverkehr als „Vorrangnetz“ zur Verfügung stellen. Dieses Netz, in dem RadlerInnen etwa per Ampelschaltung privilegiert werden sollen, ist fester Bestandteil des im Juli in Kraft getretenen Mobilitätsgesetzes. In dem am Donnerstag präsentierten Vorschlag verläuft es vor allem auf Nebenstraßen, aber auch auf einigen Abschnitten von Hauptverkehrsstraßen sowie auf Sonderwegen, etwa bei der Querung von Parks.

Wie das Netz am Ende wirklich aussieht, weiß heute noch niemand. Fest steht, dass die Planung im Juli 2019 vorliegen muss und bis 2030 umgesetzt sein soll, so legt es das Gesetz fest. „Das ist ehrgeizig“, sagt Heiner von Marschall vom VCD, „aber wir wollen mit unserer Vorarbeit helfen, dass das Ziel erreicht wird.“ Und wenn die laufende Ausschreibung entschieden sei, werde man den vom Senat bestallten PlanerInnen gerne mit Know-how helfen.

Eine Arbeit, die im Detail ganz schön aufwändig zu werden verspricht, jedenfalls wenn man sie mit dem Qualitätsanspruch der AktivistInnen angeht. Damit gute Bedingungen für den Radverkehr in Nebenstraßen herrschen, sollte motorisierter Durchgangsverkehr nicht mehr stattfinden, „nur noch Quell- und Zielverkehr“, erläutert Jens Steckel von Changing Cities. Das lasse sich mit „Modalfiltern“ erreichen – Pollern oder Bügeln, die Straßen nur für FahrradfahrerInnen und FußgängerInnen durchlässig machen. Gegenläufige Einbahnstraßen seien ebenfalls ein probates Mittel gegen die Durchfahrt von Autos.

Konfliktfelder Bäume und Asphalt

Auch für die Bearbeitung von Konflikten stehe man bereit, betont BUND-Landesgeschäftsführer Tilmann Heuser: „Es wird immer wieder zu Verteilungskämpfen um Straßenraum kommen. Die sollten aber im Zweifel nicht zulasten der Bäume, sondern zulasten des ruhenden Verkehrs gelöst werden.“ Erwartbar seien auch Diskussionen mit dem Denkmalschutz über die Asphaltierung von Kopfsteinpflaster und mit der Feuerwehr über die bauliche Absicherung von geschützten Radwegen.

Warum die vom Gesetz zur Pflicht erhobene Ausstattung aller Hauptverkehrsstraßen mit breiten und sicheren Radverkehrsanlagen trotz Vorrangnetz nötig ist, erklärt ADFC-Mann Vosberg: „An diesen Straßen befinden sich nun mal viele Einrichtungen und Ziele, zu denen auch die RadfahrerInnen wollen.“ Weiträumige Umfahrungen machten hier für viele keinen Sinn. Wer aber gerne nur abseits vom Lärm und Gestank der Verbrennungsmotoren Rad fahre, habe künftig die Möglichkeit, das im Vorrangnetz zu tun.

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