Verschwundener Journalist Khashoggi: Gesichtswahrender Ausweg in Sicht

Saudi-Arabien will den Tod Jamal Khashoggis wohl eingestehen. Die Schuld soll eigenmächtig handelnden Beamten zugeschoben werden.

Mike Pompeo sitzt neben Mohammed bin Salman, im Hintergrund ist eine saudi-arabische Flagge zu sehen

Mike Pompeo am Dienstag in Riad mit dem saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman Foto: ap

ISTANBUL taz | Die Ermittlungen und Erklärungsversuche zu dem mutmaßlichen Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Kha­shoggi im saudischen Konsulat in Istanbul treiben auf einen bizarren Höhepunkt zu. Während die türkische Polizei das saudische Konsulat durchsuchte und auch noch die Residenz des Konsuls inspizieren wollte, berichten US-Medien, hinter den Kulissen würde eine Erklärung vorbereitet, in der die saudische Regierung den Tod von Khashoggi eingestehen würde. Die Schuld daran würde aber eigenmächtig handelnden unteren Chargen zugeschoben.

Nach tagelangem Drängen war es türkischen Ermittlern am Montagabend, 13 Tage nach dem Verschwinden Khashoggis, gelungen, gemeinsam mit aus Riad eingeflogenen saudischen Kollegen Zugang zum mutmaßlichen Tatort, dem saudischen Konsulat in Istanbul, zu bekommen. Über neun Stunden lang wurden mithilfe von Spürhunden Räume und Garten des Konsulats durchsucht.

Laut dem türkischen Sender NTV sollte Dienstagnachmittag die Durchsuchung fortgesetzt werden und auch die Residenz des Konsuls inspiziert werden. Über mögliche Ergebnisse drang bisher nichts nach außen. Türkische Medien verweisen darauf, dass die Saudis genug Zeit gehabt hätten, mögliche Spuren zu verwischen.

Schon vor der Durchsuchung war aus dem türkischen Sicherheitsapparat gestreut worden, man habe eindeutiges Audio- und Videomaterial, aus dem hervorgehe, dass Khashoggi im Konsulat erst befragt, dann gefoltert und später ermordet worden sei. Dieses Material soll auch die US-Regierung kennen. Bisher hat die Türkei diese angeblichen Beweise aber nicht offengelegt und kein Staatsanwalt hat seine Existenz bestätigt.

„Unautorisierter Killer“

Stattdessen telefonierte Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Sonntagabend mit dem saudischen König Salman und informierte ihn wohl über die türkischen Erkenntnisse. Das Ergebnis ist keine öffentliche Anklage der Saudis, sondern im Gegenteil eine gemeinsame saudisch-türkische Ermittlungskommission. Offensichtlich will Erdoğan den Hüter der heiligen Stätten des Islam nicht öffentlich vorführen, sondern mit den Saudis zusammen an einer gesichtswahrenden Lösung arbeiten.

Dasselbe gilt für US-Präsident Donald Trump. Auch der telefonierte mit König Salman und sagte danach, der König habe den Mordvorwurf heftig zurückgewiesen. Anschließend deutete Trump an, wie die Affäre gelöst werden könnte. Es habe sich bei dem Mord an Khashoggi möglicherweise um die Tat eines unautorisierten Killers gehandelt. Wie ein unautorisierter Killer einen prominenten Dissidenten im saudischen Konsulat ermordet haben soll, sagte Trump nicht.

Trump und Erdoğan wollen König Salman nicht vorführen, sondern ihm helfen

Doch berichtete am Dienstag CNN, hinter den Kulissen bereitete das saudische Königshaus eine Erklärung vor, die Trumps Annahme bestätigen würde. Darin würde der Tot von Khashoggi eingeräumt, doch hätten die Täter ohne Auftrag gehandelt.

Wohl um einer entsprechenden Erklärung den letzten Schliff zu geben, traf gestern US-Außenminister Mike Pompeo in Saudi-Arabien zu einem Treffen mit dem König ein. Saudi-Arabien ist der wichtigste Verbündete der USA im Nahen Osten, insbesondere im Streit mit dem Iran, und darüber hinaus der wichtigste Käufer amerikanischer Waffen. Trump hat bereits deutlich gemacht, dass die Affäre keine Waffenverkäufe beeinträchtigen dürfe.

Auch der türkische Präsident will, obgleich er Khashoggi persönlich kannte, keinen Bruch mit den Saudis. Kronprinz Mohammed bin Salman ist dafür bekannt, dass er schon bei geringeren Anlässen diplomatische Beziehungen abgebrochen hat. Erdoğans Türkei konkurriert zwar mit den Saudis um Einfluss im Nahen Osten, aber gleichzeitig ist die geschwächte türkische Wirtschaft auf saudische Investitionen angewiesen. Womöglich zeigen sich Saudis am Ende dafür erkenntlich, dass Erdoğan mit ihnen kooperiert hat.

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