Grausame Details im Fall Khashoggi: Für Washingtons Darling wird es eng

Im Fall des verschwundenen Journalisten verdichten sich die Hinweise auf einen Auftragsmord. Der Druck auf ­­Saudi-Arabiens Kronprinz wächst.

Saudi-Arabiens Konsulat in Istanbul

Hinter diesen Mauern soll Khashoggi brutal getötet worden sein: Saudi-Arabiens Konsulat in Istanbul Foto: ap

KAIRO taz | Mehr und mehr schaurige Details über den möglichen Tod des Journalisten Jamal Ka­shoggi dringen an die Öffentlichkeit. Fast täglich berichten türkische Medien über neue Erkenntnisse. Auch US-amerikanische Medien haben ihre Recherchemaschinen angeworfen und rücken den mutmaßlichen Mord an dem Kolumnisten der Washington Post in die Nähe des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Saudi-Arabien übt sich derweil in hilfloser Schadensbegrenzung.

Pressekonferenzen oder offizielle Erklärungen, die über einen schweren Verdacht hinausgehen, hat es von türkischer Seite bislang nicht gegeben. Alle bislang bekannten Informationen gehen zurück auf anonyme Quellen im türkischen Sicherheitsapparat oder auf nicht namentlich genannte saudische Quellen.

Die türkische Zeitung Yeni Şafak berichtete am Mittwoch über Audioaufnahmen aus dem saudischen Konsulat in Istanbul, die ihr zugespielt wurden. Aus diesen ginge hervor, dass Jamal Khashoggi erst gefoltert und dann ermordet wurde. Angeblich seien ihm während eines Verhörs die Finger abgeschnitten worden. Der saudische Konsul Mohammed al-Otaibi, der am Dienstag fluchtartig die Türkei verließ, sei in den Aufnahmen mit den Worten zu hören: „Macht das draußen, das wird für mich Ärger geben.“ Zuvor soll er Kha­shoggi angewiesen haben, still zu sein, wenn er überleben wolle.

Der Mord habe sieben Minuten gedauert, berichtet die Zeitung unter Berufung auf eine türkische Sicherheitsquelle. Demnach wurde dem saudischen Journalisten eine unbekannte Substanz gespritzt, bevor ein hochrangiger Gerichtsmediziner des saudischen Sicherheitsapparats, Salah Muhammad al-Tubaigy, den Körper auseinandersägte. Er soll dabei Kopfhörer getragen und Musik gehört haben.

Spezialkommando angereist

Die New York Times hat unterdessen weitere Recherchen zu den von türkischen Behörden veröffentlichten Namen des Spezialkommandos veröffentlicht, das offenbar aus Saudi-Arabien anreiste. Mindestens 9 der 15 Verdächtigen arbeiteten dem Bericht zufolge für den saudischen Sicherheitsapparat, das Militär oder für saudische Ministerien.

Das Hauptaugenmerk richtete die Zeitung auf Maher Abdulaziz Mutreb, der im Jahr 2007 der saudischen Botschaft in London zugewiesen war. Er reiste gemeinsam mit dem Kronprinzen, möglicherweise als Leibwächter. Fotos zeigen Mutreb, wie er mit dem Kronprinzen in Paris und Madrid aus dem Flugzeug steigt. Weitere Bilder zeigen ihn neben dem Kronprinzen in Houston, Boston und bei den Vereinten Nationen in New York. Neben Mutreb ordnete die Zeitung drei weitere Verdächtige dem Sicherheitspersonal des Kronprinzen zu.

Donald Trump hat bereits erklärt, dass Saudi-Arabien bis zum Beweis des Gegenteils als unschuldig gelte

Für Mohammed bin Salman, den starken Mann in Saudi-Arabien, könnten die Veröffentlichungen unangenehm werden. Während die saudische Regierung weiter jegliche Verwicklung in den Fall bestreitet, ist sie offenbar auf eine neue Strategie umgeschwenkt. Staatsnahe saudische Medien berufen sich nun auf anonyme Hinweise, denen zufolge es sich bei Khashoggis möglichem Tod um einen missglückten Verhör- und Entführungsversuch gehandelt habe, den übereifrige Mitglieder des Sicherheitsapparats vermasselt hätten, der aber nicht von oben angeordnet gewesen sei – ein offensichtlicher Versuch, das Königshaus und allen voran den Kronprinzen zu schonen.

Die Verbindungen der Verdächtigen zu bin Salman dürften es aber dennoch schwierig machen, dessen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Auch die Behauptung, es habe keinen Mordauftrag gegeben, dürfte kaum aufrechtzuerhalten sein. Wenn Khashoggi entführt werden sollte, stellt sich die Frage, warum er im Konsulat in Istanbul verhört wurde und warum dabei ein Gerichtsmediziner anwesend war.

Viel hängt an Trump

Für den Kronprinzen ebenfalls kompromittierend ist ein Bericht des Wall Street Journals, laut dem zwei Privatjets, mit denen das Sonderkommando am 2. Oktober in Istanbul landete und am Folgetag wieder zurückflog, der Firma Sky Prime Aviation Services Ltd. gehören. Die Firma war im vergangenen Jahr im Rahmen einer sogenannten Antikorruptionsoperation vom saudischen Staat zwangsübernommen worden, als der Kronprinz Teile seiner Familie und andere saudische Geschäftsleute in das Luxushotel Riz Carlton in Riad sperren ließ, bis diese einen Teil ihres Vermögens überschrieben.

Wie groß das Fragezeichen über der politischen Zukunft des Kronprinzen ist, hängt nicht nur davon ab, wie sehr seine Person als möglicher Auftraggeber mit der Istanbul-Operation in Verbindung gebracht wird. Zentral ist auch die Frage, wie sich Saudi-Arabiens wichtigster Verbündeter, die USA, verhalten wird. US-Präsident Donald Trump hat bereits erklärt, dass Saudi-Arabien bis zum Beweis des Gegenteils als unschuldig zu gelten habe. Sein Außenminister Mike Pompeo erklärte nach einem Besuch in Saudi-Arabien am Dienstag, bei dem er sich auch mit dem Kronprinzen traf, dass die saudische Führung jegliche Verwicklung von sich weise und eine „ernsthafte und glaubwürdige Untersuchung“ in die Wege geleitet habe.

Die US-Regierung möchte Saudi-Arabien nicht generell am Pranger sehen. Das Land stellt das Herzstück von Trumps Nahost-Strategie dar, da es der wichtigste regionale Rivale des Iran ist. Zudem sieht Washington die Saudis als Partner im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Hinzu kommen milliardenschwere Rüstungsgeschäfte, über die der US-Präsident schon gesagt hat, dass er sie durch den Fall Khashoggi nicht gefährdet sehen will.

Der Versuch der US-Regierung, Saudi-Arabien in Schutz zu nehmen, ist offensichtlich. Weniger klar ist, ob das auch für die Person des Kronprinzen gilt, der die Regierungsgeschäfte weitgehend übernommen hat und seinem greisen Vater König Salman folgen soll.

Bislang galt Mohammed bin Salman als Darling Washingtons. Während sich Trump und Pompeo in dieser Frage bislang in Schweigen üben, äußerte sich der republikanische US-Senator Lindsey Graham, einer der großen Verteidiger saudischer Interessen im US-Kongress, bereits mehr als deutlich: „Mohammed bin Salman muss gehen“, forderte er in einem Interview mit Fox-TV. Er werde nicht mehr nach Saudi-Arabien reisen, solange bin Salman als Kronprinz an der Macht ist. Bin Salman sei toxisch, fügte er hinzu, und könne kein Führer auf der Weltbühne sein. „Dieser Typ ist wie eine Abrissbirne“, sagte Graham. Sollte sich diese Meinung in Washington durchsetzen, könnten die Tage des Kronprinzen gezählt sein.

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