Anschlag vor Wahl in Afghanistan: Taliban-Bombe tötet Abgeordneten

In Afghanistan nimmt zum Ende des Wahlkampfes für die Parlamentswahlen die Gewalt zu. Das könnte die Wahlbeteiligung negativ beeinflussen.

Zwei Frauen verlassen ein Büro, daneben ein bewaffneter Polizist

Die Kandidatin Suhail Sahar beim Verlassen ihres Wahlkampfbüros in Kabul Foto: reuters

KABUL taz | Nach dreiwöchiger Materialschlacht ist am Mittwoch in Afghanistan der Wahlkampf zu Ende gegangen. Bis die 8,8 Millionen registrierten Wählerinnen und Wähler – wahrscheinlich eine überhöhte Zahl – am Sonnabend die 250 Abgeordneten des neuen Parlaments wählen können, herrscht von Donnerstag an noch eine politische Ruheperiode.

Zum Abschluss des Wahlkampfes kam es in der Südprovinz Helmand erneut zu einem Anschlag. Am Mittwochmorgen tötete ein Sprengsatz, der in einem Sofa in einem Wahlkampfbüro in der Provinzhauptstadt Laschkargah versteckt war, den Politiker Abdul Dschabar Kahraman und drei weitere Personen. Sieben Menschen wurden verletzt. Die aufständischen Taliban, die gedroht hatten, „alle Hebel in Bewegung zu setzen“, um die Wahlen zu verhindern, übernahmen die Verantwortung dafür.

Seinen Beinamen – Kahraman bedeutet „Held“ – hatte sich der Getötete Anfang der 1990er Jahre als Kommandeur einer prokommunistischen Miliz erworben. Präsident Aschraf Ghani machte den damaligen Parlamentsabgeordneten 2016 in dessen Heimatprovinz zum Chef aller Einheiten der Aufstandsbekämpfung. Doch nur Monate später gab Kahraman auf, gründete die linke Vaterlandspartei neu und wurde Regierungskritiker.

Der schwerste Zwischenfall im Wahlkampf war der Bombenanschlag auf eine Kundgebung der Kandidatin Nasifa Jusufi Beg in der Nordprovinz Tachar am letzten Wochenende. Dabei starben 22 Menschen, 30 wurden verletzt. Die Kandidatin war bei der Explosion noch nicht vor Ort. Bisher wurden zehn Kandidaten ermordet, fünf davon im Wahlkampf.

Über 2000 Wahllokale geschlossen

Seit dem Wochenende nahmen die landesweiten Kämpfe erheblich zu. In mindestens 25 der 34 Provinzen rückten meist die Taliban weiter vor, in einigen unternahmen die Regierungstruppen „Säuberungsoperationen“. Die Aufständischen eroberten in Paktika, Ghasni, Badghis und Samangan fünf weitere Distriktzentren. In Dschalres, in Wardak südwestlich von Kabul, versuchten sie, Wahlmaterial zu zerstören. Auch in der gewöhnlich ruhigen Zentralprovinz Daikundi griffen sie ein Distriktzentrum an.

In Masar-i-Scharif, wo die Bundeswehr das Nato-Regionalkommando für Nordafghanistan führt, gingen afghanische Spezialeinheiten gegen eigentlich regierungstreue Milizen vor, die dort mit Plünderungen und Erpressungen für schlechte Stimmung gesorgt hatten. Schon jetzt ist klar, dass am Wahltag nur 5.100 der über 7.300 Wahllokale öffnen werden. Die Sicherheitskräfte erklärten, sie seien nicht in der Lage, die übrigen 2.000 zu sichern. Damit verlieren beträchtliche Teile der Bevölkerung die Möglichkeit, sich an der Wahl zu beteiligen.

In Kabul ist es bisher ungewöhnlich ruhig. Die Behörden sind mit dem in Afghanistan am Donnerstag beginnenden islamischen Wochenende sowieso geschlossen. Damit reduziert sich auch der Verkehr. Armee und Polizei können leichter die geplanten Sicherheitsmaßnahmen umsetzen. Sieben bis zwölf Bewaffnete sollen jedes Wahllokal schützen – zumindest in Kabul.

Insgesamt sollen über 50.000 Soldaten die Wahlen sichern. Die Schulen, von denen viele zu Wahllokalen umgerüstet wurden, sind landesweit schon seit Montag geschlossen. Lehrer wurden als Wahlhelfer verpflichtet. Viele Kabuler fürchten, jetzt könnte die Ruhe vor dem Sturm sein. Die Taliban riefen am Dienstag die Lehrer auf, nicht mit der Regierung zu kooperieren und ihre Schüler und Studenten und deren Familien aufzufordern, der Wahl fernzubleiben. Die Beteiligung ist das Hauptkriterium für die Legitimität der Wahl.

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