Reiner Tisch

Trotz der überraschenden Trennung von ihrem Erfolgstrainer Wim Fissette startet Angelique Kerber guten Mutes in die WTA Finals von Singapur

Das ist mal ein Auftritt: Angelique Kerber bei der Präsentation des WTA Finales Foto: reuters

Aus Singapur Doris Henkel

In gewisser Weise sind die besten Tennisspielerinnen der Welt auf Abschiedstour in Singapur. Zum fünften und letzten Mal wird in dieser Woche im asiatischen Stadtstaat um die Titel im Einzel und Doppel bei den WTA Finals gespielt. Im kommenden Jahr zieht der Tross nach Shenzhen in China weiter. Schade, sagt Angelique Kerber, „ich mag Singapur sehr.“ Aber manche Trennungen lassen sich offenbar nicht vermeiden – im Kleinen wie im Großen.

Vor sechs Tagen war bekannt geworden, dass der Belgier Wim Fissette, mit dem Kerber elf Monate lang äußerst erfolgreich gearbeitet hatte, von jetzt auf gleich nicht mehr zu ihrem Team gehört. Die Überraschung war allenthalben groß.

In der offiziellen Mitteilung ihres Managements hieß es, dieser Schritt sei aufgrund von unterschiedlichen Auffassungen bei der zukünftigen Ausrichtung erforderlich gewesen. Dabei, das sahen alle im Team so, hätte es nicht besser laufen können mit dem Coach aus Belgien, der Kerber zum Sieg in Wimbledon und zurück unter die besten drei des Frauentennis geführt hatte. Es sei definitiv der Plan gewesen, mit Fissette zu verlängern, sagt Manager Aljoscha Thron. Was genau passiert ist? Schwer zu sagen; es schwebt noch immer ein Nebel über der ganzen Geschichte.

Aber wenn nicht alle Hinweise täuschen, dann verhandelte Fissette in den vergangenen Wochen mit anderen potenziellen Partnerinnen. Ob es dabei um einen geplanten Wechsel oder nur in erster Linie darum ging, den Preis für eine Verlängerung des Vertrags mit Kerber in die Höhe zu treiben, gehört zu den Spekulationen. Aber auch bei der Britin Johanna Konta, die Fissette vor Kerber trainiert und mit der er das Halbfinale in Wimbledon erreicht hatte, war die zunächst so vielversprechend aussehende Zusammenarbeit gleichermaßen überraschend und vermutlich mit einem ähnlichen Hintergrund zu Ende gegangen.

Nachdem Kerber und Fissette vor gut einer Woche noch gemeinsam in Polen trainiert hatten, kam offenbar der Punkt, an dem sie fand, so könne es nicht weitergehen. Die Wahl zwischen der Entscheidung, noch mit dem Coach zum Turnier der Besten nach Asien zu fliegen und die Trennung danach bekannt zu geben, oder gleich reinen Tisch zu machen und in Singapur allein an die Arbeit zu gehen, war dann offenbar nicht allzu schwer. „Wer mich kennt, der weiß, dass ich Entscheidungen nicht einfach mal so treffe“, erklärte Kerber am Wochenende in Singapur. „Aber wenn man halt nicht mehr der gleichen Auffassung ist und wenn man weiß, es ist vorbei, dann will man natürlich nicht noch mal zusammen zum Turnier. Für mich ist dieses Kapitel abgeschlossen.“

Und sie ist ja nicht allein unterwegs. Außer Fissette sind alle in Singapur dabei, die sie auch sonst immer wieder begleiten – ihr langjähriger Trainingspartner Andre Wiesler, Physiotherapeut Andre Kreidler, Manager Thron und ihre Mutter Beata. Für eine Spielerin mit ihrer Erfahrung sollte es kein Ding der Unmöglichkeit sein, bei den letzten Auftritten des Jahres ohne Coach auszukommen, zumal sie ja die Besonderheiten dieses Turniers gut kennt; in Singapur ist sie zum dritten Mal dabei, davor spielte sie zweimal bei den WTA Finals in Istanbul.

„Ich mach mir keinen Druck. Das kann so oder so sein“

Angelique Kerber

Bei der Auslosung im Rahmen der Gala im Ballsaal des spektakulären Marina Bay Sands Hotels landete sie in der roten Gruppe mit den US-Open-Siegerinnen der Jahre 2018 und 2017, Naomi Osaka und Sloane Stephens sowie Kiki Bertens aus den Niederlanden, die nach der Absage der verletzten Nummer eins, Simona Halep, als Letzte im Feld der acht Besten des Jahres gelandet war.

Nach Haleps Rückzug führt Angelique Kerber die Setzliste vor Caroline Wozniacki an, die in der Weltrangliste vor ihr steht. Im ersten Spiel der Vorrunde am Montag wird sie gegen Bertens spielen. Kerber verspricht, sie werde noch mal alles aus sich herausholen beim Turnier der Besten des Jahres. Kann es sein, dass sie nun, nach der Ungewissheit der vergangenen Wochen und nach der nicht leichten Entscheidung, sogar mit frischer Kraft ans Werk gehen wird? „Ich mach mir keinen Druck. Das kann so oder so sein. Wenn ich gut spiele, schreibt ihr, das hat ihr einen Push gegeben, wenn ich schlecht spiele, war’s vielleicht die falsche Entscheidung.“

Ein Thema soll jedenfalls bis zum Ende dieser Woche ruhen – die Diskussionen über einen Nachfolger für Wim Fissette. Nun könnte man einerseits sagen, jeder Tag spiele in der Planung für das nächste Jahr eine Rolle. Aber im Vergleich mit dem vergangenen Jahr sieht die Sache gar nicht schlecht aus. Erst Mitte November 2017 begannen Kerber und Fissette mit der gemeinsamen Arbeit, und die Zeit reichte offenbar, um in bester Form bei den ersten Turnieren des neuen Jahres in Australien anzukommen. Wer sagt, dass sich so was nicht wiederholen kann?