Neues Album von Jaakko Eino Kalevi: So sanft, dass es wehtut

Ein zum Niederknien groovendes neues Album: Die in Berlin lebende finnische Einmannband Jaakko Eino Kalevi veröffentlicht „Out of Touch“.

Ein Mann im Wasser. Es ist Jaakko Eino Kalevi

Knietief im Balearic-Sound: Jaakko Eino Kalevi, der coolste Finne wo gibt Foto: Maxime Imbert

Eine Konzertreihe stellte ihn mal als den Künstler mit der kürzesten Biografie aller Zeiten vor: „Jaakko Eino Kalevi ist ein Musiker und Komponist“, mehr steht auch nicht auf der finnischen Wikipedia. Tatsächlich hat Jaakko Eino Kalevi schon eine Karriere hinter sich, er war Tramfahrer in Helsinki. Mit 30, vor fünf Jahren, zog Jaako Eino Kalevi nach Berlin.

In seinen seltenen, meist einsilbigen Interviews sagt er Dinge wie: „An Finnland vermisse ich das Leitungswasser und meine Freundin.“ Musik macht Kalevi schon seit 20 Jahren. Er spielt Gitarre, Keyboard, Schlagzeug und singt, früher auch mit anderen in Bands, inzwischen solo. Bisher klang sein Sound auf unaufdringliche Weise schmissig, die Songs konnten gerade noch als House durchgehen, es gab einprägsame Hooklines, Bass­drums auf jedem Viertel, es ging in die Beine.

Zum neuen Kalevi-Album „Ourt of Touch“ lässt sich auch wieder prima tanzen, diesmal nur viel langsamer. Es gibt ein Video, „People in the Centre of the City“, das hat zwar seine 120 bpm, lehnt sich aber sehr weit ins Half-Time-Feeling. Und noch weiter zurück in die Ästhetik von New Wave und Postpunk. Vier Frauen in Quasibademänteln tanzen synchron, dazwischen Szenen aus dem Londoner Stadtleben, mit einem optischen Filter, der vergilbten Super 8 simuliert. Banaler geht es kaum. Und dann taucht eine teilnahmslose Gestalt mit schulterlangem Haar auf: Jaakko Eino Kalevi. Wie ein Hair-Metal-Gitarrist, der den stoischen Shoegazer gibt. Nichts passt zueinander, sein schlaffes Cord­jacket verhöhnt uns.

Quo vadis, Balearic-Sound?

Das liegt auch daran, dass zu seiner Musik nur ein Hawaiihemd passt. Schließlich gilt Kalevi als der Meister dessen, was die Briten „Balearic“ nennen: Technisch gesehen ist die DJ-Musik „Balearic“ eine Fortsetzung von Achtzigerjahre-Dancepop, damit wird vor allem eine Sehnsucht bedient. Man sitzt im nebligen London und träumt sich in das weiche Sonnenlicht auf Ibiza. (Das geht aus Helsinki, wo es von Oktober bis März dunkel bleibt, auch gut.) Diese Idee ist es, die „Out of Touch“ auch zusammenhält. Besungen werden holprige Dinge wie: „China Eddie, you show me the way to my home / You’re making me feel not alone.“ Oder: „I am the Chef of the Night“, in einem Song über einen Koch.

Denkt man darüber zu viel nach, könnte man sich etwas einsam fühlen. In dem Song „People in the Centre of the City“ gibt es zwar Elektro-Drums und einen Synthie wie von Nick Kershaw. Doch der nächste Moment klingt wieder nach Steely Dan und nach dem verwaschenen Sound, der AOR genannt wird: „Adult Oriented Rock“. Der Berliner DJ Marcus Liesenfeld alias Supermarkt gräbt solche Musik seit vier Jahren höchst erfolgreich aus: Für seine Sampler-Reihe „Too Slow to Disco“ hat er Perlen von Doobie Brothers, Ned Doheny und dem mittleren Jan Hammer ausgegraben. Also Musik, die man immer für schrecklich hielt, die in der Rückschau aber nun wundervoll funktioniert.

Jaakko Eino Kalevi: "Out of Touch" (Domino/GoodtoGo)

https://jaakkoeinokalevi.bandcamp.com/

Allesfresser Kalevi hat sich auch AOR einverleibt und führt diesen Stil mit den Mitteln von Lofi-Elektronik weiter. Das E-Piano beim Finale „Lullaby“ klingt fast so, als klimpere ein Kind auf der Bontempi – gleichzeitig hört man dazu eine höchst kunstvolle, auch klanglich genau herausgestellte Saxofonlinie. Irgendetwas Unglaubliches geschieht immer. Dass man an Steely Dan denken muss, liegt auch an der rauen, aber tödlich coolen Stimme des Finnen.

Sämige Piña Colada

Sie ist auch noch mit großräumigem Hall und Choruseffekt gemischt wie eine sämige Piña Colada. Kalevi intoniert manchmal voller Liebe, tief und silbenweise gestoßen etwa auf der Nummer „Outside“. Eine Nummer heißt „Emotions in Motion“, wie ein alter 80er-Hit von Ric Ocasek, dem Sänger der Cars. Bei Kalevi wird daraus gar keine Coverversion, weder Melodie noch Text, nur eine Zeile hat er sich „geborgt“. Und dann ist es doch wieder gecovert: Der Geist der Musik ist – sicherlich bewusst – derselbe. Alles fließt leicht und samten, am Rande der Gefälligkeit, aber immer noch interessant genug für kritische Ohren.

An Überraschungen mangelt es nicht bei Jaako Eino Kalevi und seinem Album „Out of Touch“. Manchmal verschwindet das verhallte, ganz weit in die Ferne gestellte Saxofon, wie hinter tausend Vorhängen. Das erwartet man schon deswegen nicht, weil so niemand seine Musik mischt. Aber das ist einem kühlen und doch überdrehten Finnen vollkommen egal. Bravo!

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