Kolumne Buchmessern: Über sie reden

Im vergangenen Jahr machten Rechte auf der Buchmesse Schlagzeilen – in diesem Jahr gibt es satirische Beiträge über sie. Na also, geht doch!

Martin Sonneborn, verkleidet

Einäugig-triumphal: Martin Sonneborn als Stauffenberg Foto: Reuters

Die Schnittmenge von Absurdität und Komik ist bei der Frankfurter Buchmesse traditionell hoch. Die Highlights in diesem Jahr: das Kochbuch von Jimi Blue Ochsenknecht. Der Cosplayer, der auf dem Kopf eine Maske in Form eines aufgeplatzten Gehirns trug und in der Hand ein riesiges Abflussrohr; beides schien ihm sowohl beim Gehen als auch beim Sehen sichtlich Mühe zu bereiten, weshalb er mitten auf der Agora beinahe das Messepublikum rechts und links von ihm in den Zierbrunnen befördert hätte.

Und schließlich der Titel von Björn Höckes Buch: „Nie zweimal in denselben Fluss“. Im Kopf, das ergab eine kurze, nicht repräsentative Umfrage unter Messebesuchern, vervollständigt sich dieser Satz beinahe automatisch zu „pinkeln“, was vermutlich mit der schweren Form von „Nationalmasochismus“ zu tun hat, an dem wir laut Höcke alle dahinsiechen.

Das alles könnte jedenfalls gut Satire sein, ist es aber nicht. Echte Satire hat es auf der Buchmesse nie leicht, was einerseits an der Fülle oben beschriebener Beispiele liegt und andererseits daran, dass alle halb wahnsinnig sind vor Stress, Kater und der stickigen Hallenluft, weshalb sie sich ungern reizen lassen. Zumal der diesjährigen Messe das letzte Jahr noch in den Knochen steckte, als rechte Verlage für eine sehr unschöne Reizung sorgten. Über diesem Jahr schien deshalb der stille Wunsch zu schweben: Hoffentlich bleibt’s diesmal ruhig.

Das klappte prima bis zu Björn Höckes Auftritt am Freitag, bei dem für zehn interessierte Besucher gefühlt 10.000 Polizisten alles großräumig abriegelten und hauptsächlich für Genervtheit sorgten. Mitten in den Besucherstau an der Rolltreppe in Halle 4.1 platzte plötzlich Martin Sonneborn, verkleidet als Hitler-Attentäter Stauffenberg in Wehrmachtsuniform. Komplett mit lederner Aktenmappe, wie sie Stauffenberg benutzt hatte, um seine Bombe zu platzieren.

Die Security drehte aufgeregt am Knopf im Ohr

Allerdings scheiterten Sonneborns mutmaßliche Pläne, die Veranstaltung zu stören, an der kurzfristigen Änderung des Veranstaltungsorts. Höcke und seine Handvoll Fans zogen sich in ein klaustrophobisch anmutendes Zwischengeschoss zurück, in das niemand mehr reingelassen wurde, während Sonneborn oben Interviews gab. Für eine vermeintliche Bedrohungslage mussten unten im Saal derweil Höckes Leibwächter sorgen, die sehr aufgeregt an ihrem Knopf im Ohr drehten und immer wieder bedeutungsvoll die Notausgänge checkten, als ob dahinter vielleicht doch die Antifa stecke. Es war zum Gähnen.

Eine Bühnen-Performance von Sonneborn wäre sicher unterhaltsamer geworden. Im Ergebnis war es trotzdem nicht weiter schlimm, dass er gar nicht erst reinkam. Denn die Vorschaubilder in den Nachrichten zeigten alle nicht Höcke oder die vielen Polizisten, sondern Sonneborn, wie er einäugig grinsend (das andere Auge verdeckte eine Augenklappe) seine Aktenmappe in die Kameras hält. Die Schlagzeilen kommunizierten entsprechend „Sonneborn als Stauffenberg verkleidet bei Höcke-Lesung“, und nicht länger: Höcke liest bei Buchmesse.

Ein schöner Erfolg. Der zweite: Bei der „Titanic-Abendgala“ (17 Uhr, Hallo 4.0, Bereich Vertrieb) verstopften so viele Menschen die Gänge, dass an benachbarten Ständen teilweise Feierabend gemacht wurde. Nach der Prämisse „Mit Rechten reden kann jeder“ gab es – nach einem gleichnamigen Frühschoppen am selben Tag – nur einen Programmpunkt: „Über Rechte reden“.

Oliver Polaks bitterernster Appell

Was da so geredet wurde, war teilweise sehr lustig: Puneh Ansari analysierte den Frischluft-Fetisch der Österreicher, Stefanie Sargnagel erklärte den Begriff „sellnern“, der sich in Wien für „einpinkeln“ etabliert hat, nachdem der Identitäre Martin Sellner mit einem verdächtigen Fleck auf der Hose fotografiert wurde, und der designierte Titanic-Chefredakteur Moritz Hürtgen versenkte den rassistischen Poetry-Slam-Beitrag, mit dem neulich die 14-jährige Tochter einer AfD-Bundestagsabgeordneten bekannt geworden war.

Als aber irgendwann Oliver Polak auf die Bühne kam und aus seinem neuen und sehr lesenswerten Buch „Gegen Judenhass“ las, über Jesusmordvorwürfe am Papenburger Abendbrottisch in seiner Kindheit und Moderatoren, die es lustig fanden, ihm als Juden mit Desinfektionsmittel zu begegnen, konnte man nicht lachen. Polaks Buch hat mit Satire eigentlich nichts zu tun, es ist ein bitterernster Appell an alle, nicht wegzusehen. Und trotzdem war es hier überhaupt nicht fehl am Platz.

Über Rechte zu reden oder gar zu lachen, das kann man immer noch für zu viel der Aufmerksamkeit halten – oder schlicht für trivial („Einseitiger geht’s nicht“, freut sich die Titanic selbst). Aber Satire ohne ernsthaften Kritikgehalt ist bekanntlich keine. Schlussendlich war es jedenfalls so: Die Stände der rechten Verlage in ihrer Ecke blieben leer und langweilig, das Ehepaar Götz Kubitschek/Ellen Kositza catwalkte ganz in schwarz durch die Halle und schien auf Ansprache zu hoffen, während am umringten Titanic-Stand auch am Samstag ein weiterer Auftritt des falschen Grafen von Stauffenberg erwartet wurde.

Die Satiriker haben bei dieser Buchmesse noch mal vorgeführt, dass das Reden mit den Rechten, im letzten Jahr noch der ganz große Hype, sich als absolute Quatschidee erwiesen hat, der zudem noch übermäßig oft die Ehre erwiesen wird, „auf den Straßen (Chemnitz), in den Talkshows (Will) und auf den Buchmessen (Frankfurt)“ (Titanic-Flyer zur Veranstaltung). In der Tat hat der Umgang mit rechten Verlagen von offizieller und medialer Seite in diesem Jahr größtenteils mal wieder nicht so gut funktioniert. Das von Sonneborn und den Titanic-Gala-Beitragenden ins Gegenteil verkehrt zu sehen, hat Spaß gemacht. Hoffentlich wirkt die Botschaft auch über das Frankfurter Messegelände hinaus.

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