Fußball-Bundestrainer Jogi Löw: Time to Say Goodbye

Joachim Löws Zeit als Bundestrainer ist vorbei – und er weiß das wohl auch. Aber als fehlt ihm die Kraft, die Beziehung mit dem DFB zu beenden.

Trainer Joachim Löw wartet auf den Beginn der Pressekonferenz

Nieder­gerungen und abgekämpft: Bundestrainer Löw Foto: dpa

Nach dem 0:3 gegen die Niederlande hatte Joachim Löw seinen stärksten Auftritt seit Monaten. Niedergerungen, abgekämpft wirkte er, als er zwischen Jochen Breyer und Oliver Kahn im ZDF-Studio stand, das schon, aber Löw war dabei nicht nervös. Im Gegenteil: Er war klar, sachlich und deutlich näher an der Realität als einige seiner Spieler.

Mats Hummels hatte kurz zuvor noch analysiert, dass man ein Spiel 3:0 verloren habe, „was wir meiner Meinung nach gewinnen müssen“. Und: „So viel können wir uns heute nicht vorwerfen.“ Manuel Neuer meinte, „dass es hier heute hätte anders laufen können.“ Wohlgemerkt, nach einem 0:3 gegen die Niederlande, die sich 2016 und 2018 nicht für die großen Turniere qualifizieren konnten.

Löw wollte diesem Narrativ dann auch nicht folgen. Die mangelnde Chancenverwertung? „Das war es natürlich nicht alleine.“ Man sei vielmehr nach dem ersten Gegentor „in die Einzelteile zerfallen“: „Hätten wir 1:0 verloren, dann wäre das akzeptabel gewesen. Dass wir dann in den letzten zehn Minuten so auseinanderfallen, das ist natürlich schlecht.“

Löw wirkt bei diesen Worten nicht besonders kämpferisch oder verbittert, sondern eher so, als hätte er verinnerlicht, dass er den großen Umbruch, den es nach dem frühen WM-Aus und den drei schwachen Spielen danach dringend braucht, nicht wird wuppen können. Als hätte er das Schicksal angenommen. Als wäre er – frei nach Elisabeth Kübler-Ross’ Sterbephasen – nun in Phase fünf: Akzeptanz.

Warum macht Löw sich so angreifbar?

Nein, das soll hier keine Bagatellisierung des Todes werden. Nein, Löw liegt nicht im Sterben. Nein, sein Schicksal ist nicht ­einmal annähernd so dramatisch. Aber eine Art von Schicksalergebenheit offenbaren Löws Aufstellungen dann doch. Warum setzt er so sehr auf die alten Kräfte? Auf Hummels, auf Boateng, auf Müller, auf Kroos, auf Draxler? Warum macht er sich so angreifbar? Er könnte doch nach der katastrophalen WM in Russland nun auf die setzen, die entweder gar nicht oder vermeintlich zu wenig gespielt haben. Warum bildet er keinen Sturm aus Timo Werner, Julian Brandt und Leroy Sané? Ginge ein Spiel dann verloren, könnte er es auf deren Unerfahrenheit und den Umbruch schieben.

Doch das macht er nicht. Er setzt zu erheblichen Teilen noch immer auf die, die schon länger dabei sind – und heute saturiert erscheinen.

Auf der einen Seite ehrt ihn diese Treue. Auf der anderen Seite zeigt sie – trotz der Erfahrungen vom WM-Turnier 2010, als Löws junge Mannschaft bis ins Halbfinale stürmte – seinen Mangel an Vertrauen in die Jugend. Das ließ sich auch nach dem Niederlande-Spiel heraushören, als er sagte, „dass die jungen Spieler – ob Leroy Sané, Timo Werner, Julian Brandt und und und – natürlich auch immer noch Zeit brauchen“.

Sané, Brandt und Werner haben zusammen laut DFB-Website 416 Erstliga- und 65 Europapokaleinsätze.

Loyalität schlägt Revolution

Löw erinnert an einen Abteilungsleiter, dem viel von Industrie 4.0, von Umstrukturie­rung der Arbeit, von neuen Modellen erzählt wurde und der auch weiß, dass er das anpacken müsste. Aber: Noch mal diese ganzen jungen Leute einarbeiten, mit ihren viel zu früh erlangten Master-Abschlüssen? Die mit 23 schon alle Kontinente bereist, sechs Monate soziale Arbeit geleistet und mindestens ein Semester im Ausland studiert haben? Dafür spürt er keine Kraft. Loyalität schlägt Revolution.

Doch die Kraft, sich das einzugestehen, den Posten zu räumen, die verspürt er halt auch nicht. Also müsste ihm jemand von oben den Abschied nahelegen. Doch wer soll das beim Deutschen Fußball-Bund sein? Präsident Reinhard Grindel? Manager Oliver Bierhoff? Die Vorstellung, dass die beiden angezählten Boxer ihren Trainer vom Aufgeben überzeugen, wirkt fast lächerlich.

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