Mieteraktivisten planen Volksbegehren: Startschuss für die große Enteignung

Ab Frühjahr 2019 sammeln Berliner MieteraktivistInnen Unterschriften für ein Volksbegehren. Sie wollen damit die großen Akteure treffen.

Die Fassade eines Wohnblocks

Die Initiative will eine ganze Reihe von Wohnunternehmen enteignen Foto: dpa

BERLIN taz | Was vor einem halben Jahr als Plan zur Enteignung von „Deutsche Wohnen“ begann, soll nun eine ganze Reihe von Wohnungsunternehmen treffen. Am Donnerstag will die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ einen Text für einen Volksentscheid vorstellen. Ein Erfolg würde alle Unternehmen treffen, die mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin besitzen. Ausgenommen davon sind lediglich Genossenschaften und öffentliche Wohnungsunternehmen. Der Text des Volksbegehrens liegt der taz vor.

Die Initiative ändert die Ausrichtung des Volksbegehrens wegen der juristischen Lage: „Man darf kein Gesetz erlassen, das nur ein Unternehmen trifft“, sagte Initiativen-Sprecher Rouzbeh Taheri der taz. Eigentlich sollte das Volksbegehren schon in diesem Herbst starten. Die intensive rechtliche Prüfung hat zu einer Verschiebung auf den Frühling 2019 geführt. Im April soll die Unterschriftensammlung beginnen.

„Unseres Wissens wären von dem Gesetz auch die Vonovia, ADO Properties, Akelius und Grand City Property betroffen“, sagte Taheri – die großen Investoren auf dem boomenden Berliner Immobilienmarkt. Genau müsse das aber die Berliner Verwaltung herausfinden, falls das Volksbegehren durchkommt. „Da müssen fünf Leute ein halbes Jahr lang in alle Grund­bücher schauen.“

Das Volksbegehren wird von einigen wichtigen Berliner Mieterinitiativen unterstützt. Aus dem 2015 gestarteten Mietenvolksentscheid, den der Berliner Senat für teilweise rechtswidrig hielt, haben sie gelernt: Das jetzige Volksbegehren enthält keinen Gesetzestext, sondern die Aufforderung an den Senat, einen solchen zu erlassen.

Linksfraktion erwägt Unterstützung

Damit werden die Parteien des rot-rot-grünen Regierungsbündnisses unter Druck gesetzt, die sich zu einer mieterfreundlichen Politik bekennen, aber mit den hohen Kosten der Enteignungen ein Problem bekommen dürften. Mit einem „niedrigen zweistelligen Milliardenbetrag“ rechnet Taheri.

Berlin hat derzeit noch 58 Milliarden Euro Schulden, vor fünf Jahren waren es 5 Milliarden mehr. Der Landeshaushalt für 2018 hat ein Volumen von rund 28 Milliarden Euro. Die Volksbegehren-Betreiber wollen die Entschädigungssumme zu 20 Prozent durch das Land Berlin finanzieren, zu 80 Prozent durch eine Anstalt öffentlichen Rechts, die die Wohnungsbestände verwalten soll. Sie soll für die Enteignungen Kredite aufnehmen.

„Wir bitten um Verständnis dafür, dass wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Stellungnahme dazu abgeben“, sagte eine Sprecherin des Linkspartei-geführten Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. „Ich halte für denkbar, dass wir das Volksbegehren unterstützen“, sagte dagegen die stadtpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Katalin Gennburg. „Die Bundesregierung lässt die Wohnungskonzerne machen, was sie wollen.“

Vor Kurzem hatte die SPD-Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe (Friedrichshain-Kreuzberg) die Ziele des Volksbegehrens begrüßt: Eine Enteignung sei eine Option, „wenn der ungebremste Mietpreisanstieg anders nicht aufgehalten werden kann“, schreib sie in einer SPD-Zeitung. Eine Stellungnahme aus den Abgeordnetenhausfraktionen von SPD und Grünen war am Mittwoch nicht zu bekommen.

„Die Verunsicherung der Mieter, die diese Debatte ausgelöst hat, müssen wir ernst nehmen“, sagte eine Sprecherin der Vonovia. Die Durchschnittsmiete in Berliner Vonovia-Wohnungen liege bei 6,46 Euro pro Quadratmeter. „Die Enteignung von Wohnungen schafft keine einzige neue Wohnung.“ Stattdessen müsse mehr gebaut werden – „vor allem im preisgünstigen Segment“.

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