Kolumne Wir retten die Welt: Bier, Sex, Autobahn

Wer vor dem Klimawandel warnt, bemüht bislang Zahlen, Daten und Fakten – und erntet Gähnen. Also müssen andere Geschichten her.

Bierkrüge

In Gefahr, wenn es zu warm wird: kühlender Gerstensaft Foto: dpa

Schnell sind wir uns einig: „Sex sells. Und Kinderaugen. Und Katzenfotos.“ Ich spreche mit einer Klimawissenschaftlerin darüber, wie man den Bericht des Weltklimarats interessanter machen kann. Bisher ist es ja so: 6000 ForscherInnen schreiben zwei Jahre lang 500 Seiten zu einem lebenswichtigen Thema voll. Und dann interessiert das kein Schwein.

So geht das natürlich nicht, wenn wir die Welt retten wollen. Also muss der nächste IPCC-Bericht ein Knaller werden. „Titten, Terror, Tiere!“, fordert die Wissenschaftlerin, die sonst immer so seriös tut. Zu den Emissionspfaden, Zehntelgraden und Grenzkostenanalysen stellen wir also alles, was nicht jugendfrei ist.

Dazu Bilder von Katzen auf sterbenden Korallenriffen. Und einsame Eisbärenbabies mit Kulleraugen, am besten blutverschmiert. Arbeitstitel: „Hot Stuff. 50 Shades of White“. Plötzlich wird Klimapolitik populär. Zumindest bei echten Kerlen.

Das Marketing für Klimaschutz muss aggressiver werden. Zum Beispiel: Der Klimawandel versaut uns die Ferien. Das Grillen wird wegen Waldbrandgefahr verboten, die Malediven versinken, die Skipisten schrumpfen!

Schreck: Erderwärmung macht Bier doppelt so teuer!

Dann, Achtung: Erderhitzung bremst private Hitzewallungen: Klimawandel könne zu „sexueller Dysfunktion, dem Vermeiden von Sozialkontakten und Irritationen“ führen, so eine US-Studie. Mancherorts wird es heißer als 50 Grad Celsius. Auch schlecht. Wer denkt in der Sauna schon an Sex?

Ein guter Anlass für ein kühles Bier? Pech gehabt: Eine neue Untersuchung der Universität East Anglia warnt: Der Klimawandel könne das Bier verknappen und doppelt so teuer machen! Durch mehr Hitze und Dürren sei die Gersten-Ernte in der Welt immer häufiger bedroht. In Belgien und Deutschland könne der Ertrag um ein Drittel zurückgehen. Auch wenn „weniger Bier zu trinken nicht an sich eine Katastrophe ist“, wie der Autor sagt, sei genug Gerstensaft doch wichtig für „die Stabilität von Unterhaltung und Kommunikation einer Gesellschaft.“

Besser kann man die Gefahr nicht darstellen, die uns droht. Alles 1A-Gründe für mehr Klimaschutz: Es wandern immer mehr fiese Mückensorten ein; Allergien greifen um sich; Stätten des Weltkulturerbes wie Venedig oder der schiefe Turm von Pisa verschwinden.

Aber das ultimative Terror-Argument liefert RWE im rheinischen Braunkohle-Revier: Für die Tagebaue werden – oh Gott! – Teile der Autobahn weggebaggert. Wenn wir das der deutschen Bevölkerung verraten, kommt der Kohleausstieg gleich morgen.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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