Präsidentschaftswahl in Brasilien: „Komm, lass uns reden“

Brasiliens Linke mobilisiert und trägt den Wahlkampf auf die Straße. Der Rechtsextremist Bolsonaro gilt weiterhin als Favorit für die Stichwahl.

Viele Unterstützer der Arbeiterpartei

Dier Arbeiterpartei und ihrer Unterstützer machen in Rio mobil Foto: ap

RIO DE JANEIRO taz | Anspannung und Bangen in den letzten Stunden vor der Stichwahl um die Präsidentschaft Brasiliens. Rechtsextremist Jair Bolsonaro liegt in Umfragen vorne, doch sein Vorsprung schmilzt. Im ganzen Land machen Gegner des Ex-Militärs mobil, um die Stimmung in letzter Sekunde noch zu verändern. Niemand will sich wirklich ausmalen, was aus dem Land wird, sollte der erklärte Rassist und Befürworter von Folter an die Macht gelangen.

Längst geht es nicht mehr um Fernando Haddad, den Kandidaten der Arbeiterpartei, dem inzwischen 44 Prozent der Stimmen vorausgesagt werden. Für seine Unterstützer ist er aber die Option der Demokratie, der Meinungsfreiheit und der Menschenrechte, die gegen die faschistische, rückwärtsgewandte Politik von Bolsonado und seinen Anhängern verteidigt werden muss.

„Bist du unentschieden? Komm, lass uns reden“, steht auf Pappschildern, die Aktivisten allerorten auf belebten Plätzen in die Höhe halten. Es ist politische Überzeugungsarbeit in zigtausenden Einzelfällen – eine Art Gegenoffensive zu den Millionen Fakenews, die aus Bolsonaros Umgebung per WhatsApp verschickt werden und die bei vielen verunsicherten Bürgern Wirkung zeigten.

Immer mehr Menschen tragen Sticker oder Aufkleber von Haddad. Die Linke gewinnt die Präsenz auf den Straßen zurück, die in den Wochen des Bolsonaro-Aufschwungs fast verloren gegangen war. In mehreren Städten demonstrierten Zehntausende gegen Bolsonaro und gegen Faschismus.

Polizei geht gegen Studenten vor

Im Bolsonaro-Lager löst der Stimmungsumschwung Nervosität aus. Trotz eines immer noch großen Vorsprungs von über zehn Millionen Stimmen wird schon jetzt behauptet, dass „eine eventuelle Niederlage nur mittels Wahlbetrug durch Haddad möglich“ sei.

Dias Toffoli, Präsident des Obersten Gerichts, versprach, dass die Justiz die Autonomie und Unabhängigkeit der Universitäten schützen werde.

Inhaltlich setzt Bolsonaro auf Mäßigung. Nein, er werde nun doch nicht aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen – sofern dieses keine Auflagen für die Ausbeutung des Amazonasgebiets mit sich bringe. Und seine Anhänger rief er zu Zurückhaltung auf, nachdem die Presse über immer neue Übergriffe gegen Linke berichtete.

Im Gegensatz dazu setzten regionale Wahlgerichte und die Polizei in mehreren Bundesstaaten auf eine gefährliche Eskalation. Um verbotene Wahlpropaganda an Universitäten zu verhindern, stürmten Uniformierte am Donnerstag und Freitag über 15 Unis, rissen Plakate und Transparente ab und verhinderten auch einige Diskussionsveranstaltungen. Zumeist ging es nicht um Wahlplakate, sondern um Sprüche, in denen vor dem Faschismus gewarnt wurde.

Studenten und Professorinnen protestierten umgehend, in Rio de Janeiro und anderen Städten kam es zu spontanen Demonstrationen. Schon bald hingen neue Transparente an den Unigebäuden, die von „Zensur“ handelten. Am Freitagnachmittag kritisierte auch Generalstaatsanwältin Raquel Dodge die Durchsuchungsaktionen als „Angriff auf die Meinungs- und Lehrfreiheit“ und kündigte rechtliche Schritte an. Dias Toffoli, Präsident des Obersten Gerichts, versprach, dass die Justiz die Autonomie und Unabhängigkeit der Universitäten schützen werde.

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