Politischer Künstler Thomas Baumgärtel: Alles Banane

Die Cubus-Kunsthalle in Duisburg stellt politische Arbeiten von Thomas Baumgärtel aus. Nach Drohungen steht die Schau unter Polizeischutz.

Ein breitgezogenes Gesicht Donald Trumps mit Banane im Mund vor US-amerikanischer Flagge.

1995 „Schlumpf for President!“, 2017, Spraylack auf orig. Verkehrsschild (Alu) Foto: Thomas Baumgärtel

Banane. Ein Wort, ein Ding, das einen Sturm der Bilder und Assoziationen auslösen kann: grün, gelb, braun, krumm, warum ist die Bananen krumm, aus Übersee, in Spanien wächst sie unter Plastik, im Osten gab es keine, Zonen-Gabys Gurke, Handelswege, Zollschranken, Warhol, Velvet Underground, alles Banane – also alles verrückt? Der Kölner Street-Art-Künstler Thomas Baumgärtel ist seit über 30 Jahren als Bananensprayer bekannt. „Die Banane enthält alles“, sagt er. Natürlich steht sie auch im Zentrum seiner politischen Arbeiten, die jetzt die ­Cubus-Kunsthalle in Duisburg ausstellt – unter Polizeischutz.

Für Baumgärtel ist die Banane ein Symbol der Freiheit: „Als Kind hatte ich große Angst vor dem Tod, habe mich in Fieberträumen von allen verlassen gefühlt.“ Doch der Trostspender Religion hat bei ihm nicht funktioniert. Auf der chirurgischen Männerstation, wo er Zivildienst leistete, hing über jedem Bett eine gläserne Christusfigur. Als eine herunterfiel, kehrte er die Scherben zusammen und hängte stattdessen eine Bananenschale ans Kreuz.

Ein Akt der Befreiung: „Heute kann ich sagen: Ich bin Atheist.“ Die Aktion war aber auch die Geburt des Selbstkonzepts als Künstler, das nur noch gegen den hartnäckigen Widerstand des Vaters verteidigt werden musste. Das klappte mit einem Doppelstudium: Kunst (verrückt) und Psychologie (vernünftig).

Spannend ist, wie die Banane in unterschiedlichen Kontexten und Köpfen Unterschiedliches auslöst. Mit der Intention des Künstlers hat das manchmal nur noch bedingt zu tun. In dem 2016 zum 30. Geburtstag seines Symbols aus der Taufe gehobenen Gemeinschaftsprojekt „Die Volksbanane“ produzierten andere Menschen das Kunstwerk mit. Sie versahen Thomas Baumgärtels auf ein Stück Holz gesprayte Banane zum Beispiel mit einem Slogan: „Kunst ist …“ steht dann davor oder „Geld ist …“. Aber was heißt das jetzt? Ist die Kunst verrückt, krumm, quer, blöd, Quatsch, frei, wohltuend, nährend?

„Thomas Baumgärtel. Politische Arbeiten“, bis 25. November, in der Cubus-Kunsthalle Duisburg.

Im Eingangsbereich der Cubus-Kunsthalle, die mitten im spannenden Duisburger Immanuel-Kant-Park liegt, empfangen den Besucher zwei Selbstporträts: Baumgärtel als Terminator mit Banane als Waffe. Baumgärtel als Hampelmann mit Bananengliedern, um ihn herum schwirrt das Wort „Freiheit“. Irgendwo zwischen Harlekin und wehrhaften Freiheitskämpfer kann man dieses Künstler-Ego also verorten, das seinem Kollegen Banksy in nichts nachsteht, was geniale Selbstvermarktungsstrategien angeht.

Galerien lechzen nach diesem Gütesiegel

Rund 4.000 Kunstorte auf der ganzen Welt hat er schon mit einer Spraybanane versehen. Es gibt Galerien, die nach diesem Gütesiegel lechzen wie Restaurants nach dem Michelin-Stern. Das Kunstmuseum Bochum allerdings verzichtete im Jahr 2010, als das Ruhrgebiet Kulturhauptstadt war, auf eine von 61 Bananen, die der Künstler großzügig in der Region verteilte: „Wir wollen kein Werbeträger für ihn sein.“

Neben dem Bild hängen jetzt Kommentare aus den sozialen Medien: „Du kleiner Hurensohn“

Das durchaus anarchische, widerständige Symbol büßt in Baumgärtels jüngeren, politischen Arbeiten allerdings etwas von seiner Offenheit ein. Donald Trumps affenhaft in die Länge gezogenem Gesicht stopft der Künstler mit einer Banane das Maul. Und in dem Bild „Unter der Gürtellinie“ ist eindeutig der türkische Präsident Erdoğan zu erkennen, aus Spraylack auf Metall, mit heruntergelassener Hose und einer Banane im Allerwertesten. „Ich bin nicht leicht aus der Ruhe zu bringen, aber manchmal denke ich mir doch: ‚Fuck you‘“, sagt Thomas Baumgärtel.

Das Bild war seine Reaktion auf Erdoğans Klage gegen Jan Böhmermann, auf Regimekritiker und Journalisten im türkischen Knast, auf Bekannte, die ihm aus Angst vor negativen Konsequenzen abrieten, Stellung zu beziehen. Und tatsächlich schlugen die Wellen hoch: Baumgärtel trennte sich von einem Galeristen, der es auf der Art Karlsruhe nach türkischen Protesten abhängte, eine Ausstellung in Langenfeld musste vorzeitig beendet werden. In Duisburg, das eine starke ­türkische Community hat, stellte sich die Kulturpolitik aber demons­tra­tiv hinter Baumgärtels Kampf für die Freiheit der Kunst.

„Unter der Gürtellinie“

Die Cubus-Kunsthalle steht nach Drohungen, die Scheiben einzuschlagen oder das Gebäude gleich ganz abzufackeln, unter Polizeischutz. Kommentare aus den sozialen Medien hängen jetzt neben dem Bild: „Du kleiner Hurensohn“ ist einer der harmloseren. Zwei Demonstrationen im richtigen Leben fielen allerdings kleiner als erwartet und relativ friedlich aus. „Mehr Wirkung kann man als Künstler wohl nicht erzielen“, sagt ­Thomas Baumgärtel zufrieden.

Zu seinen stärksten Arbeiten gehört „Unter der Gürtellinie“ trotzdem nicht. Die sind weiter hinten zu finden: Der 1997 mitten im Parteispendenskandal im Stil des „Bananen-Pointilismus“ gefertigte feixende „Helmut Kohl“ zum Beispiel. Oder die grauen, großformatigen, verschwommenen Gemälde aus der Holocaust-Serie, die den Schrecken der Tötungsmaschinerie in den Konzentrationslagern nur andeuten – und dadurch das Schmerzhafte, Erschütterte des Blicks noch verdeutlichen.

In der Ludwiggalerie Oberhausen hängt Thomas Baumgärtel mittlerweile neben Gerhard Richter. „Es ist nicht verkehrt, auch mal ernst genommen zu werden“, findet er.

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