Nachfolger für den CDU-Bundesvorsitz: Schaulaufen ohne Inhalt in Düsseldorf

Im Rennen um die die CDU-Führung muss Friedrich Merz erklären, warum ein Finanzinvestor, den er kontrolliert, wegen Steuerbetrugs durchsucht wird.

Jens Spahn, Armin Laschet und Friedrich Merz sitzen nebeneinander, Laschet gestikuiert

Armin Laschet (m.) musste die Inhaltsleere moderieren Foto: dpa

DÜSSELDORF taz | Schwarze Limousinen, Kameras, Mikrofone: Am Dienstagabend sorgt der Auftritt der möglichen Merkel-Nachfolger Friedrich Merz und Jens Spahn vor der Parteizentrale der nordrhein-westfälischen CDU für mächtig Rummel. Nur Stunden zuvor hat die Kölner Staatsanwaltschaft in München Räume des Finanz-Großinvestors Blackrock durchsuchen lassen, offenbar wegen des Verdachts auf Kapitalertragssteuer-Betrug. Merz kontrolliert den deutschen Ableger der unvorstellbare 6,4 Billionen schweren Firma, die Anteile an allen Dax-Konzernen hält und so allein 59 Milliarden Euro investiert hat, als Aufsichtsratschef.

Doch deshalb ist der 62-jährige Sauerländer heute nicht in Düsseldorf. Zusammen mit Bundesgesundheitsminister Spahn soll Merz dem Vorstand seines Landesverbands erklären, warum gleich zwei konservative, neoliberale Westfalen um die Nachfolge von Angela Merkel als CDU-Bundesvorsitzende konkurrieren. Davor: Ein kurzer Auftritt vor der Presse in den Räumen der Parteizentrale in der Düsseldorfer Wasserstraße.

Dort aber redet als allererster ein Mann, der nach Merkels angekündigtem Rückzug vom Parteivorsitz vor einer guten Woche erst einmal zwei Tage geprüft hat, ob er nicht selbst ins Rennen um den Posten des CDU-Chefs einsteigen will: Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet. Jetzt steht der joviale, unter Christdemokraten als linksliberal geltende Rheinländer zwischen den beiden konservativen Westfalen und gibt den Moderator: In den zwei Tagen des Anfangs von Merkels Ende ist dem Regierungschef aus Aachen klargeworden, dass er mit seiner Kandidatur das Merkel-Lager um deren Vertraute Annegret Kramp-Karrenbauer nur weiter schwächen würde – und dass er innerparteilich längst nicht über ausreichend Truppen verfügt, um sich sicher durchzusetzen.

Den Berliner Chefposten der Bundes-CDU und den Job als Regierungschef in Düsseldorf könne niemand gleichzeitig zufriedenstellend ausfüllen, sagte Laschet zur Begründung – als sei das nicht von Anfang an klar gewesen. Ganz aus dem Rennen nehmen will sich der 57-Jährige, der NRW erst seit 2017 regiert, aber nicht: Der Rückzug gelte nur für den Parteivorsitz, streuten Vertraute Laschets. Stehe in Berlin ein „neues Politikprojekt“, also ein Wechsel im Kanzleramt, an, sei eine „Neubewertung“ nötig.

Friedrich Merz verspannt sich

Eingerahmt von Merz und Spahn redet Laschet am Dienstagabend in Düsseldorf deshalb erst einmal von den Verdiensten Angela Merkels – und kommt schnell auf die Spendenaffäre rund um die schwarzen Kassen Helmut Kohls, von der die CDU Ende der Neunziger fast zerrissen wurde. Merz verspannt sich, schaut indigniert – schließlich glauben nicht nur viele JournalistInnen, das der Wirtschaftsanwalt über einen Finanzskandal fallen könnte, schließlich sitzt Merz auch im Aufsichtsrat der Düsseldorfer Privatbank HSBC Trinkaus, die laut Abschlussbericht eines Bundestagsuntersuchungsausschusses in Cum-Ex-Geschäfte um Kapitalertragssteuer-Betrug verwickelt ist. Im Thema ist Merz auf jeden Fall: Die Anwaltskanzlei Mayer Brown, für die er ebenfalls arbeitet, wirbt auf ihrer Website um Kunden, die „wachsende Rechtsrisiken aus Cum-Ex-Geschäften“ fürchten.

Lange hat sie sich weitgehend zurückhalten müssen, doch nun startet auch Annegret Kramp-Karrenbauer in ihre Kandidatur für den CDU-Vorsitz.

In Berlin will sich die Generalsekretärin an diesem Mittwoch erstmals öffentlich dazu äußern. Die 56-Jährige war am Montag einstimmig vom Landesvorstand ihrer Partei als Kandidatin der Saar-CDU nominiert worden.

Zunächst hatte die Vertraute der scheidenden Parteichefin, Kanzlerin Angela Merkel, ihre Arbeit als Generalsekretärin neu ordnen müssen: Sie lässt diese wegen ihrer Bewerbung nun weitgehend ruhen, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, gegenüber den anderen Bewerbern einen Vorteil zu haben. (dpa)

Prompt gilt auch in Düsseldorf die erste Frage an Merz den Deals um Cum-Ex und Cum-Cum, mit denen Milliarden von den Finanzämtern an Superreiche flossen. Ob es der von Merkel 2002 als Chef der CDU-Bundestagsfraktion Verdrängte nicht als belastend empfinde, bei seiner Kandidatur immer wieder auf Kapitalertragssteuer-Betrug angesprochen zu werden? Fast wie Roland Koch in der CDU-Spendenaffäre verspricht Merz zumindest bei Blackrock brutalstmögliche Aufklärung: Er habe „den Vorstand angewiesen, mit den Ermittlungsbehörden zusammenzuarbeiten und alle Dokumente auf den Tisch zu legen“, erklärt der Aufsichtsratsvorsitzende. Und: Er selbst habe mit der Sache aber auch überhaupt nichts zu tun. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft beträfen „den Zeitraum 2007 bis 2011“, und oberster Kontrolleur von Blackrock Deutschland sei er erst seit 2016, sagt Merz.

Politisch versucht der Wirtschaftsliberale, sich als konsensfähiger Kandidat zu präsentieren – Umfragen, nach denen eine überwältigende Mehrheit keinen Rechtsschwenk der CDU will, hat Merz registriert. Er stehe für „die politische Mitte“, so der Neoliberale, der schon mit der Kürzung der Hartz-IV-Sätze, der Abschaffung des Kündigungsschutzes und der 42-Stunden-Woche geliebäugelt hat, ernsthaft. Die SPD dagegen, die stehe seiner „Einschätzung nach vor einem scharfen Linksruck“. Allerdings: Welches Projekt, welches Thema er als Parteichef als erstes angehen würde, will Merz nicht verraten.

Ähnlich inhaltsleer bleibt auch Spahn. Er mache seiner Partei das „Angebot eines Generationswechsels“, so der Bundesgesundheitsminister. Wie groß die Wut der Konservativen auf „die Frau Bundesvorsitzende“, wie Spahn Merkel nennt, ist, wird aber deutlich spürbar. „Es muss etwas passieren“, sagt der 38-jährige Münsterländer. „In neuesten Umfragen sind wir bei 24 Prozent. Ohne CSU liegen wir im Bund hinter den Grünen.“

An einen Erfolg Spahns glaubt un der CDU keiner

Doch an einen Erfolg Spahns glaubt in der CDU keiner. Für dessen Posten als Mitglied des Bundespräsidiums der Partei kandidiere erst einmal niemand, erklärt Laschet als NRW-Landesvorsitzender nach Spahns Statement – wenn der mit seiner Kandidatur als CDU-Chef scheitere, könne er sich danach noch als Präside bewerben. Auch werde sein Landesverband keine Empfehlung für Merz oder Spahn geben, erklärt Laschet – dabei stellt Nordrhein-Westfalen auf dem Hamburger Bundesparteitag am 7. Dezember 259 der rund 1.000 Delegierten. Er schätze Merz und Spahn ebenso wie die politisch nahestehende Annegret Kamp-Karrenbauer. „Ich muss die Partei zusammenhalten“, sagt der Düsseldorfer Regierungschef, der selbst in jedem Fall CDU-Bundesvize bleiben will.

Vielleicht will er aber auch mehr: Sollte Merz Merkels Vertraute Kramp-Karrenbauer schlagen, dann aber über Cum-Ex, Cum-Cum oder einen anderen Finanzskandal stolpern – Armin Laschet stünde bereit.

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