Unabhängige Verlage: Bieder, aber verdient

Der Wagenbach-Verlag erhält im Deutschen Theater den ersten Berliner Verlagspreis. Förderpreise bekommen die Verlage Reprodukt und Berliner Verlagshaus.

Alle sind glücklich: bei der Verleihung des ersten Berliner Verlagspreises im Deutschen Theater Foto: Berliner Verlagspreis

Auf den ersten Blick wirkt die Entscheidung – nun ja – ein wenig bieder. Da gibt es mit dem neuen Berliner Verlagspreis endlich eine mit insgesamt 65.000 Euro ziemlich hoch dotierte Anerkennung für kleine, unabhängige Verlage in dieser Verlagsstadt, und dann bekommt ausgerechnet der 54 Jahre alte, durch und durch etablierte Wagenbach Verlag am Sonntag den ersten Preis. Der Verlag mit den spießigen Bändchen aus rotem Leinen. Der Verlag, den man zuerst mit Toskana-Linken assoziiert.

Nur die beiden Förderpreise, dotiert mit je 15.000 Euro, erhalten die Verrückten unter den Verlegern, die Punkrocker also. Reprodukt, der sich seit Ewigkeiten unbeirrt und erfolgreich um „Schmutz und Schund“ kümmert, wie die Verleger selbst sagen, um Comics und Graphic Novels also, und das Verlagshaus Berlin, das ausschließlich alles rund um die Lyrik verlegt, quasi „aus einer Schnapsidee heraus“, wie Verlegerin Andrea Schmidt sehr stolz und sehr gerührt auf der Bühne verkündet, als sie und ihre Mitstreiter den Preis entgegen nehmen.

Aber dann hört man sich am Sonntagvormittag im Deutschen Theater die Reden an von Jurymitglied Barbara Schneider-Kempf, Generaldirektorin der Staatsbibliothek, und der Wagenbach-Verlegerin Susanne Schüss­ler, die 2002 das Haus von ihrem Mann Klaus Wagenbach übernommen hat. Und plötzlich hat man das Gefühl, als sei es doch gut und richtig, dass dieser Verlag als Sieger dieses Tages dasteht.

Jetzt mit mehr Pfiff!

Da ist zum einen die Arbeit von Susanne Schüssler, die es tatsächlich geschafft hat, dem Verlag neuen Pfiff zu geben. Die alte Reihe „Politik bei Wagenbach“ wurde erfolgreich wiederbelebt, auch gab es immer wieder überraschende Bestseller: „Die souveräne Leserin“ von Alan Bennett und zuletzt Francesca Malendris Roman „Alle, außer mir“, den plötzlich jeder gelesen haben muss.

Das andere ist, dass man sich die Geschichte von Wagenbach in Erinnerung rufen muss, um zu verstehen, was dieser Preis bedeutet. Klaus Wagenbach gründete den Verlag 1964, bald wurde er schwer aktiv in der Studentenbewegung und bei mehreren Strafprozessen verurteilt, unter anderem, weil er die Tötung Benno Ohnesorgs und die Erschießung von Georg von Rauch als Mord bezeichnet hatte.

Kultursenator Klaus Lederer (Linke) und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), die den Berliner Verlagspreis ausgeheckt haben, lächeln sehr verschmitzt, als Susanne Schüssler das Wort ergreift. „Diese Stadt hat es ihm nicht leicht gemacht“, sagt sie. „Es ist, als wäre der Verlag endlich angekommen in Berlin“.

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