Kolumne Habibitus: Kein Schutz und keine Solidarität

Geht es um Mord in Beziehungen, werden Trans*Personen meist vergessen. Dabei sind sie häufig von Gewalt betroffen.

Ein Mann erhebt seine Hände gegen eine andere Person, die ihre Hände sichtbar in die Höhe hält. Im Gegenlicht sind nur die Schatten zu sehen

Belässt die Statistik zumeist im Dunkeln: die Gewalt durch cis Männer gegen Trans*Personen Foto: Imago/Imagebroker

Jeden dritten Tag ermordet ein Mann seine Partnerin in Deutschland. Hinzukommen 77.000 Straftaten, bei denen die Frauen körperliche Gewalt überlebt haben. Die Dunkelziffer ist viel höher, weil nicht jede eine Anzeige stellen kann oder möchte. Und ja, die meisten Täter waren weiße deutsche Männer. Diese Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik hat die Frauenministerin Franziska Giffey (SPD) am Dienstag in Berlin vorgestellt.

Das ist die Bilanz für ein Jahr und ausschließlich für Partner_innenschaften. Femizide und andere Gewalttaten außerhalb von Liebesbeziehungen sind gar nicht enthalten. Ebenfalls nicht berücksichtigt wurden Trans*Personen. Nicht jede Transfrau ist als solche dokumentiert und nicht jede als Frau in den Statistiken erwähnte Person ist tatsächlich weiblich, sondern könnte nichtbinär oder trans*männlich sein.

Dass Transfrauen in dieser Schnittstelle die am meisten von Gewalt betroffene Gruppe sind, zeichnet sich auch deutlich ab – insbesondere arme Transfrauen of Color. Am 20. November, dem Transgender Day Of Remembrance, haben wir der ermordeten Trans*Personen gedacht, in den letzten zehn Jahren dokumentierte das Forschungsprojekt Trans Murder Monitoring (TMM) weltweit 3.000 Fälle, die tatsächliche Ziffer wird um ein Vielfaches höher geschätzt.

Selbst darin tauchen nicht alle Morde auf – etwa Suizide. Diese passieren schließlich häufig als Konsequenz misogyner und transfeindlicher Zustände. Vielleicht wundern Sie sich, warum Sie davon nichts gehört haben. Das liegt daran, dass die Gesellschaft dafür Trans*Personen erstens als schützenswert und zweitens als Menschen betrachten müsste.

Räumungen statt Schutz

Es mangelt an Schutz, den etwa die Regierung bewusst nicht gewährt. Frauenhäuser sind ausnahmslos ausgelastet und schließen außerdem häufig Transfrauen aus. Schließen sich Frauen, Lesben, inter und Trans*Personen zu selbstverwalteten Orten wie Hausprojekten zusammen, sind diese von Räumung bedroht, so eben auch die Liebig34 in Berlin-Friedrichshain, das einzige Hausprojekt in Berlins Geschichte ausschließlich für FLTI-Personen. Nicht die Wohnverhältnisse, sondern auch Arbeitsplätze prekarisiert Deutschland frech und fröhlich vor sich hin: Das sogenannte „Prostituiertenschutzgesetz“ erschwert es Sexarbeiter_innen, selbstorganisierte und meist sicherere Arbeitsräume aufrecht zu erhalten.

Und cis Männer? Zumal diese sich gern und oft als Opfer der Genderfrage inszenieren, mag es für viele überraschend kommen, dass sie sich meistens auf der Täter_innenseite befinden. Hoffentlich fragen Sie sich nun: Wie kann ich die Lage verbessern?

Das Mindeste, was Sie tun können: Erstens: Hören Sie auf, Frauen, Lesben, inter und Trans*Personen zu terrorisieren und setzen Sie sich mit Ihrer toxischen Männlichkeit auseinander. Zweitens: Ermitteln Sie Ihren Gender Pay Gap, indem Sie Ihren Lohn mit dem Ihrer Kolleginnen vergleichen, und spenden Sie die Differenz an prekär lebende Frauen, Lesben, inter und Trans*Personen oder an Organisationen, die diesen Schutz gewähren. Das sollte keine Heldentat sein – sondern selbstverständlich.

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Hengameh Yaghoobifarah studierte Medienkulturwissenschaft und Skandinavistik an der Uni Freiburg und in Linköping. Heute arbeitet Yaghoobifarah als Autor_in, Redakteur_in und Referent_in zu Queerness, Feminismus, Antirassismus, Popkultur und Medienästhetik.

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