Zulassung von Pestiziden wie Glyphosat: Bayer gegen mehr Transparenz

Der Konzern bekämpft einen Plan der EU-Kommission. Dieser sieht vor, dass kritische Forscher Pestizidstudien rechtzeitig überprüfen können.

Ein Landwirt fährt mit einer Dünger- und Pestizidspritze über ein Feld

Manche Pestizide stehen unter dem Verdacht, Krebs zu verursachen Foto: dpa

BERLIN taz | Der Chemiekonzern Bayer kämpft gegen einen Plan der EU-Kommission für mehr Transparenz bei der umstrittenen Zulassung von Pestiziden und Gentechnik-Pflanzen. Der von dem deutschen Unternehmen maßgeblich gesteuerte Verband der europäischen Pestizidhersteller Ecpa lehnt in einem Positionspapier die wichtigsten Punkte eines entsprechenden Verordnungsentwurfs ab.

Das Papier sieht zum Beispiel vor, dass die EU-Lebensmittelbehörde (Efsa) künftig Studien über die Gefährlichkeit eines Wirkstoffes sofort veröffentlicht, wenn sie diese erhalten hat. Bisher geben die Behörden die Untersuchungen aus den Zulassungsverfahren nur nach langwierigen Antrags- oder Gerichtsverfahren heraus. Am Dienstag will der Umweltausschuss des EU-Parlaments über die Verordnung ­entscheiden.

Mit dem Entwurf hat die Europäische Kommission auf die Kritik an der Neuzulassung des meistgenutzten Pestizidwirkstoffs, Glyphosat, im vergangenen Jahr reagiert. Damals erlaubten die EU-Staaten den Unkrautvernichter für weitere fünf Jahre, denn die EU-Chemikalienbehörde Echa und die Efsa hatten den Einsatz von Glyphosat für weitgehend unbedenklich erklärt.

Sie stützen sich dabei vor allem auf Tierversuchsstudien, die Hersteller wie die jetzige Bayer-Tochter Monsanto in Auftrag gegeben hatten und der Öffentlichkeit gegenüber geheim hielten. Die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation dagegen stufte den Wirkstoff als „wahrscheinlich krebserregend“ ein.

Kommission soll selbst Studien beauftragen dürfen

Sie berief sich nur auf öffentlich zugängliche Studienauswertungen, die auch von unabhängigen Forschern überprüft werden können. All das führte dazu, dass manche Bürger das Vertrauen in die EU-Zulassungsbehörden verloren. Mehr als eine Million Menschen unterschrieben deshalb eine Petition der EU-Bürgerinitiative gegen Glyphosat für ein neues Zulassungsverfahren.

Deshalb schlug die Kommission im April vor, dass die Efsa künftig die Studien ohne Aufforderung frei zugänglich ins Internet stellt. Umweltorganisationen wie die österreichische Global 2000 begrüßen das, auch wenn sie die Ausnahmen im Entwurf etwa für urheberrechtlich geschütztes Material oder für Geschäftsgeheimnisse wie zum Beispiel Herstellungsmethoden für zu vage formuliert halten.

Dass die Studien veröffentlicht werden müssen, belegt den Aktivisten zufolge das Beispiel Glyphosat: Als ein kritischer Wissenschaftler die Rohdaten für die Einschätzung der EU-Behörden nach langem Hin und Her endlich einsehen konnte, fand er nach eigenen Angaben mehrere Hinweise auf ein Krebspotenzial, die die Efsa unterschlagen habe. Doch da hatte diese ihre Einschätzung schon lange festgelegt und dementierte alles.

Positiv finden viele Umweltschützer an dem Entwurf für die Offenlegung zudem, dass die EU-Kommission auch selbst Studien beauftragen dürfen soll, um umstrittene Untersuchungen der Industrie überprüfen zu lassen.

Konzerne befürchten politischen Druck

Genau das stößt bei Bayer und seinen Wettbewerbern auf Widerstand. „Die Verantwortung für die Beauftragung und die Finanzierung von Studien sollte vollständig bei den Firmen bleiben“, hatte der Konzern in einer Stellungnahme schon im März geschrieben, wenige Tage bevor die Kommission ihren in Grundsätzen bereits bekannten Entwurf offiziell veröffentlichte. Bayers Verband Ecpa begründet das mit dem Tierschutz, denn für weitere Tests müssten noch mehr Ratten und Mäuse im Labor sterben.

Die Konzerne fordern auch, dass die Efsa die Studien erst offenlegt, wenn das erste Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff zugelassen ist. Vorher befürchten sie „unangemessenen politischen Druck“, der die Unabhängigkeit der Efsa bedrohe.

Außerdem verlangt der Indus­trieverband, dass Unternehmen leichter Informationen zu Geschäftsgeheimnissen erklären können, die die Efsa nicht veröffentlichen dürfte. Und sie sind nicht damit einverstanden, dass die Efsa die Studien für jedermann ins Internet stellt.

Sie sollten nicht „veröffentlicht“, sondern nur „kontrolliert offengelegt“ werden, so die Lobbyorganisation. Begründung: Konkurrenten könnten die teuer erstellten Daten nutzen, um eigene Produkte zuzulassen.

Bundesregierung noch unentschieden

Die Greenpeace-Expertin Franziska Achterberg warnt: „Mit so einer Kontrolle könnten­ auch unabhängige Wissenschaftler davon abgehalten werden, die Studien zu verwenden“. Würde die EU alle Wünsche der Industrie erfüllen, könnten die Unternehmen weiter wichtige Informationen unter Verschluss halten.

Doch die Koordinatorin des EU-Parlaments für das Thema, die CDU-Abgeordnete Renate Sommer, hat Änderungsanträge eingebracht, die der Industrie entgegenkommen. Ein Beispiel: Wenn die Industrie etwas zum Geschäftsgeheimnis erklärt, muss sich die Efsa nach dem Willen Sommers so lange daran halten, bis sie das Gegenteil bewiesen hat. Die Kommission dagegen will, dass die Beweislast bei den Herstellern liegt.

Wie die Abstimmung im Umweltausschuss am Dienstag ausgeht, ist offen. Danach entscheidet erst das Plenum, bevor das Parlament mit der Kommission und dem Rat der Mitgliedsstaaten verhandelt.

Die deutsche Regierung hat sich nach eigenen Angaben noch nicht entschieden, ob sie für die frühe Veröffentlichung der Studien und die Beweislast bei den Herstellern ist oder nicht.

Fragen der taz blieben unbeantwortet

Kein gutes Zeichen, meint der Grünen-Bundestagsabgeordnete Harald Ebner: „Wenn die Bundesregierung nach über einem Jahr angeblich ihre ‚Beratungen noch nicht abgeschlossen‘ hat, gehört sie eindeutig zu den Bremsern in diesem Prozess.“ Und Bayer wird weiter lobbyieren, um dem Projekt die Zähne zu ziehen.

Dabei gibt sich der Konzern in seiner Öffentlichkeitsarbeit transparent. „Als führendes Life-Science-Unternehmen nimmt Bayer seine Verantwortung wahr, transparent über die Sicherheit von Pflanzenschutzmitteln zu kommunizieren“, lobt sich der Konzern selbst.

Ethik-Charta der Bayer AG

„Im Umgang mit der Öffentlichkeit setzen wir auf Dialog, Transparenz und Zusammenarbeit“

„Im Umgang mit der Öffentlichkeit setzen wir auf Dialog, Transparenz und Zusammenarbeit“, heißt es in der „Ethik-Charta“ des Unternehmens. Fragen der taz zum Thema ließ es allerdings unbeantwortet. Auch die, wie sich die Transparenz-Äußerungen mit dem Lobbying gegen den Vorschlag der EU-Kommission vereinbaren ließen.

„Wir machen unsere Sicherheitsdaten, die bislang nur von Behörden eingesehen werden konnten, öffentlich zugänglich“, teilte der Konzern im Dezember 2017 mit, als er seine „Transparenz-Website“ startete. Nun kündigte er an, auf der Internetseite auch seine Studien zu Glyphosat zu veröffentlichen. Aber natürlich nur zu den Bedingungen, die er selbst festlegt – und sehr spät, denn Glyphosat ist ja schon lange zugelassen.

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