Kolumne So nicht: Petition gegen Rotznasenhochzieher

Die Bahn schafft die Vollkornschnitte ab. Aber unternimmt nichts gegen Rotznasehochzieher. Da muss dringend was getan werden.

Ein Junge putzt sich die Nase

Selbst der kleinste Junge weiß, wozu Taschentücher gut sind Foto: imago/Westend61

Erst wenn in allen Chefetagen und an allen Bartheken Gleichheit, in allen U-Bahnen Beinfreiheit herrscht und Mansplaining wieder ein Fremdwort geworden ist, dann erst werden wir merken, dass es noch etwas gibt, was wir vergessen haben: erwachsene Männer, die in aller Öffentlichkeit ihre Rotznase alle 20 Sekunden lautstark bis Oberkante Nasennebenhöhle hochziehen.

Sollte es in nächster Zeit zu einer längeren Gefechtspause im Kampf um die Geschlechtergerechtigkeit kommen, wird nur ein einziges Geräusch die Stille durchbrechen: Chrchrchrch. Wände werden wackeln, Nerven werden angesägt und Seelen werden erschüttert werden. Denn wir alle haben nichts getan, um die letzte Insel männlicher Ignoranz zu stürmen. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Mitglied dieses Clubs kann nicht werden, wer in einer absoluten Notlage steckt – die Nase läuft, kein Taschentuch nirgends.

Mitglied dieses Clubs werden ausschließlich solche Männer, die der Spezies angehören, die sich von Mama oder Frau die Socken und Unterhosen rauslegen lässt. Dieselbe Mama oder Frau, die immer, wenn es brenzlig wird, ein Taschentuch aus der Handtasche zieht, um ihrem Kleinen Mund und Näschen zu säubern.

Rotznasenhochzieher-Hochsaison

In der Jahreszeit Herbst/Winter hat diese Spezies Hochsaison. Überall kann man sie zur Zeit vortrefflich beobachten. Am liebsten halten sie sich in öffentlichen Verkehrsmitteln auf. Noch näher aber kommt man ihnen auf längeren Strecken in der Deutschen Bahn. Hier lassen sich Rotznasehochzieher hautnah erleben.

Bei manchen von ihnen hat man den Eindruck, sie würden den Schleimsack gern auch noch weiter hochziehen, als sie es tun, allein der Knochenbau verhindert, dass der Matsch direkt in den Hypothalamus flutscht. Dieser Spezies ein Taschentuch anzubieten, erfordert ungefähr so viel Überwindung wie jemandem zu sagen, dass er aus dem Mund riecht.

Denn es ist ja klar, dass diese Spezies einfach aufs Bahn-WC gehen müsste, um den Schleimbeutel loszuwerden, den sie stundenlang in der Nase hoch- und runterschaukeln.

Manssnuffling

Dass diese letzte Domäne der Männer noch existiert, ist trotzdem ein Wunder. Denn im Vergleich zu bezahlbarem Wohnraum ist das Taschentuch ja weder Mangel- noch Bückware. Dass sie dennoch eine Weile überleben wird, davon muss man ausgehen. Denn anders als #MeToo oder Mansplaining hat diese Domäne ja noch nicht mal einen Namen. Jedenfalls ist mir bisher keiner bekannt. Wie wäre es mit Mansnuffling?

Hm. Na ja. Kennen Sie einen besseren? Schreiben Sie mir ein Wort, das das Phänomen mega trifft und ich stelle sie in der nächsten Kolumne zur Abstimmung. Wir wollen uns doch nicht nachsagen lassen, wir hätten nur zugeguckt und nichts getan.

Wo wir schon mal dabei sind: Die Deutsche Bahn hat in ihrem Bordbistro zum 1. Dezember die Vollkornschnitte abgeschafft. Kann da bitte jemand eine Petition aufsetzen? Vorschlag für einen Name hätt’ ich schon: Stullensturm.

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Seit 2012 Redakteurin | taz am Wochenende. Seit 2008 bei der taz als Meinungs, - Kultur-, Schwerpunkt- und Online-Redakteurin, Veranstaltungskuratorin, Kolumnistin, WM-Korrespondentin, Messenreporterin, Rezensentin und Autorin. Ansonsten ist ihr Typ vor allem als Moderatorin von Literatur-, Gesellschafts- und Politikpodien gefragt. Manche meinen, sie kann einfach moderieren. Sie meint: "Meinungen hab ich selbst genug." Sie hat Religions- und Kulturwissenschaften sowie Südosteuropäische Geschichte zu Ende studiert, ist Herausgeberin der „Jungle World“, war Redakteurin der „Sport-BZ“, Mitgründerin der Hate Poetry und Mitinitiatorin von #FreeDeniz. Sie hat diverse Petitionen unterschrieben, aber noch nie eine Lebensversicherung.

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