AfD schließt Doris Sayn-Wittgenstein aus: Selbst für diese Partei zu radikal

Nähe zu Holocaust-Leugnern und Star der Deutschnationalen: Die Fraktion der Nord-AfD trennt sich von der Landesvorsitzenden.

Porträt Doris von Sayn-Wittgenstein

Die bisherige schleswig-holsteinische AfD-Landesvorsitzende Doris von Sayn-Wittgenstein Foto: dpa

Vor einem Jahr noch brachte sie den Bundesparteitag der AfD in Hannover zum Kochen – mit ein paar wohlplatzierten deutschnationalen Sprüchen, scharfer Kritik an der Antifa und viel Verständnis für Russland. Die Haare streng hochgesteckt, die hellblaue Bluse bis zum letzten Knopf geschlossen, an den Ohren Perlenohrringe – so stand Doris Sayn-Wittgenstein am Redepult. „Das ist nicht unsere Gesellschaft“, rief sie in den Saal – und die versammelten RechtspopulistInnen tobten. „Doris, Doris“-Rufe schallten durch den Saal, dazu kamen Standing Ovations.

Der Flügel um AfD-Rechtsaußen Björn Höcke hatte sie ins Rennen um den Parteivorsitz geschickt. Nicht, weil sie Sayn-Wittgenstein wirklich zur Chefin krönen wollten. Vor allem sollte die heute 64-jährige Anwältin den innerhalb der AfD als gemäßigteren und Koalitionen nicht abgeneigten Berliner Landeschef Georg Pazderski als Co-Chef Jörg Meuthens verhindern. Sayn-Wittgenstein traf mit ihrer Rede, wie es später in der AfD hieß, „die Seele der Partei“ – und wäre um ein Haar wirklich Parteichefin geworden. Dann trat Alexander Gauland an und gewann.

Sayn-Wittgenstein war zu diesem Zeitpunkt innerhalb der AfD kaum jemandem ein Begriff und mehr Berühmtheit wird sie in der Partei wohl auch nicht mehr erlangen. Am Dienstag hat die Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein Sayn-Wittgenstein aus der Fraktion ausgeschlossen.

Der Grund: Ihre Unterstützung für den Verein „Gedächtnisstätte“. Diesem saß zeitweilig die Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck vor, zudem wird er vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft. Schon lange wird Sayn-Wittgenstein eine Nähe zum Rechtsextremismus nachgesagt.

Schon länger ein schlechtes Verhältnis

Die AfD-Politikerin hat in Heidelberg Jura studiert, inzwischen lebt sie im schleswig-holsteinischen Plön. Unklar ist, wie sie zu ihrem wohlklingenden Nachnamen kam – und ob sie wirklich eine „Fürstin von Sayn-Wittgenstein“ ist, wie sie behauptet. Aus Adelskreisen heißt immer wieder, womöglich sei der Name gekauft.

Sayn-Wittgenstein trat erst 2016 in die AfD ein, vorher konnte sie mit der Partei, die der frühere Chef Bernd Lucke vor allem eurokritisch ausgerichtet hatte, nicht viel anfangen. Im Frühjahr 2017 zog sie auf Platz drei der Landesliste in den Landtag ein, einige Monate später wurde sie zur Landesvorsitzenden gewählt. Im Kieler Parlament ist Sayn-Wittgenstein Vorsitzende des Petitionsausschusses. Das Verhältnis zwischen der Mehrheit der Fraktion und ihrer Landeschefin ist seit Langem angespannt, die Sitzungen der Fraktion mied sie.

Im Landtag fiel Sayn-Wittgenstein durch einschlägige Anfragen auf, zum Beispiel zur „Ausbreitung der Krätze“. Sie wollte wissen, ob mit dem „verstärkten Zuzug von Ausländern“ die Ausbreitung zugenommen hätte. Dass ein deutsches Kind die Krätze-Fälle an einer Schule in ihrer Heimatstadt Plön ausgelöst hatte, störte die „Fürstin“ dabei wenig.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.