Kolumne Einfach gesagt: Du bist, was du isst, und nicht isst

Ein türkischer Nachbar hat neulich Schweinefleisch probiert. Das Brechen der Regel verursachte Brechen. Essen geht eben zuerst durch den Kopf.

Mehrere tote und aufgeschnitte Schweine hängen von der Decke

In Bayern sinnstiftend bei der Ernährung: das Schweinetier Foto: dpa

„Ein Tag ohne Fleisch von der Sau gilt in Bayern als verlorener Tag“, sagte ein Herr mit Baskenmütze und langem grauen Haar zu seinem Kumpel mit Pudelmütze mittags beim Geschnetzelten im Imbiss des Bioschlachters in Eimsbüttel.

„Da geb ich dir Recht Rudi, der Schweinverzehr ist quasi religiös da unten – der ist so relevant wie beim Moslem der Verzicht auf Schwein. Und das sollte der Moslem dann auch respektieren.“

„Aber Hermann, das Schweineessen ist doch selbstgewählt!“

„Na, das ist doch die Religiosität auch!“

„Nee, die Religion kriegste zu Hause mit der Muttermilch!“

„Ja, und die Kinder in Bayern bekommen das aufs Brot geschmiert, also den Schinken drauf gelegt – und der Haxn-Genuss mit der Familie steht für Liebe und Gemeinsamkeit. Das Schweinetier ist sinnstiftend bei der Ernährung – und daraus wachse ich ja, aus dem was ich ess’, daraus bin ich zu guter Letzt im Großen und Ganzen gemacht.“

„Aber bei den Muslimen geht es ja darum, was sie eben nicht essen,Hermann, aus was sie eben nicht gemacht sein wollen, das ist der Faktor!“

„Ja, aber aus was man nicht ist, kann man auch erwachsen, nur eben … hier, wie sagt man, wie heißt das noch?“

„Mental?“

„Ja, mental, du bist, was du isst, du bist aber auch, was du nicht isst.“

„Die einen im Geiste, die anderen in Fleisch und Blut.“

„Warum ist das mit dem Essen eigentlich so ein Gewese überall?“

„Weil du es dir direkt in den Kopf steckst.“

„Aber da bleibt es ja nicht lang.“

„Na, aber im Kopf geht es eben los mit der Verdauung – da kaut man alles durch, auch die Gedanken, Rudi. Da werden Geschmacks­erinnerungen gespeichert und Regeln und Manieren.“

„Aber wenn so ein Moslem einfach mal so ein Scheibchen beste Blutwurst vom Bioschlachter hier probieren tät’, dann würde der gute Geschmack ihn vielleicht eines Besseren bekehren – und wenn er dann noch merkt, Mensch Moslem du, da passiert ja gar nix Schlimmes, wenn das Schwein einmal durch mich durch geht, dann ist das vielleicht genau der Prozess, den Seehofer meint, der zum Deutschen Islam hin.“

„Du meinst die Verdeutschung des Islam sollte eine Art Verdauungsprozess sein?“

„Logo, denn der Körper nimmt sich nur das Beste, das, was er braucht, der Rest wird ausgeschieden und den Fluss runtergespült.“

„Sag das mal nicht so laut, Hermann, ich bin da ja nicht so streng, aber ich glaub’, das war jetzt rassistisch.“

Ein Freund berichtete, sein türkischer Nachbar hätte neulich bei einem gemeinsamen Abendbrot aus Neugier zum ersten Mal in seinem Leben Schweinefleisch probiert. Und zwar ein ganz besonders edles Stück Parmaschinken. Ihm sei davon allerdings schnell übel geworden und er hätte sich auf der Toilette erbrochen. Es habe eigentlich nicht schlecht geschmeckt, vor allem salzig. Doch habe er es nicht aus dem Kopf bekommen, was er da esse und dass es Haram sei.

Das Brechen der Regel habe das Brechen verursacht – und eine seit Jahren vegan lebende Freundin behauptet stets, der Geruch von Fleisch ekele sie nun in dogmatischer Weise an und dabei strahlt sie selig wie die Heilige Maria.

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ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. Alle zwei Wochen verdichtet sie in dieser taz-Kolumne tatsächlich Erlebtes literarisch.

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