Wo Genossen bauen

190.000 Genossenschaftswohnungen gibt es in Berlin. Mehrere Tausend sind gerade in Bau oderfertig geworden. Nun gibt ein Katalog Auskunft über das genossenschaftliche Bauen in der Region

Gropiusstadt reloaded: Der 20-stöckige Turm des Beamten-Wohnungs-Vereins wird 2021 fertig Foto: Abb.: Eike Becker Architekten

Von Uwe Rada

Die Zahl 300.000 kennt jeder, der das Thema Wohnungspolitik in Berlin verfolgt. 300.000 Wohnungen befinden sich im Besitz der sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Rot-Rot-Grün hat es sich zum Ziel gesetzt, auf 400.000 aufzustocken – durch Neubau und Zukäufe wie zuletzt beim Sozialpalast in Schöneberg (siehe unten).

Wer aber kennt die Zahl 190.000? So viele Wohnungen in Berlin gehören den Wohnungsbaugenossenschaften. Sie bewirtschaften damit 12 Prozent des Wohnungsbestandes in Berlin. Und auch die Genossenschaften bauen, wie das Buch „Hier bauen Genossenschaften“ des Genossenschaftsforums zeigt.

Als „selbst nutzende kollektive Bauherren“, meint die scheidende Geschäftsführerin des Genossenschaftsforums, Barbara von Neumann-Cosel, schließen Genossenschaften „Spekulation und Vermieterwillkür aus“. Aber neben stabilen Mieten und Mitbestimmung hätten Genossenschaften auch architektonisch einiges zu bieten: „Vielfach entstehen in Kooperation mit sozial engagierten Architekten vorbildliche städtebauliche und architektonische Lösungen, die modellhaft in das Stadtquartier ausstrahlen.“

Dabei können die Genossenschaften auf eine lange Tradition zurückblicken, wie Namen wie die „Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG“ zeigen. „Die Bandbreite in der Kaiserzeit reichte von staatstreuen Beamten-Bau-Vereinen über sozialreformerische Ansätze bis zu oppositionellen Siedlerbewegungen“, schreibt Neumann-Cosel in ihrem historischen Rückblick. Ihre große Zeit erlebten die Genossenschaften dann beim Siedlungsbau in der Weimarer Republik.

Nach der deutschen Teilung ging die Genossenschaftsbewegung unterschiedliche Wege. Während sie im Westen, etwa beim Bau der Gropiusstadt, einen großen Anteil hatte, wurden in Ostberlin die Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften AWG gegründet, die neben den kommunalen Wohnungsverwaltungen KWV den größten Teil des Bestandes bewirtschafteten.

Nach der Wende waren die ehemaligen DDR-Genossenschaften damit beschäftigt, ihre Bestände zu sanieren. Doch nun gibt es eine neue Gründungswelle von Genossenschaften. Und sie bauen auch wieder. Bis 2020 sind rund 7.400 Genossenschaftswohnungen in Bau oder in Planung. Mittelfristig soll jede zehnte Wohnung in den 13 vom Senat geplanten Neubaugebieten eine Genossenschaftswohnung sein.

Aber es gibt auch Schwierigkeiten. Nur 20 Grundstücke hat das Land Berlin den Genossenschaften zur Verfügung gestellt. Das ist wenig im Vergleich zu München, wo die Genossenschaften nicht 10 Prozent, sondern 20 bis 40 Prozent der Wohnungen auf den größeren Entwicklungsgebieten bauen. Wenn die Neubauzahlen nicht steigen, droht auch, dass der Bestand der Genossenschaftswohnungen in Berlin sinkt. Immerhin sollen strittige Fragen nun in einem Genossenschaftsdialog mit dem Senat besprochen werden.

Der Vorteil der Genossenschaften, stabile Mieten und Mitbestimmung, wirkt sich aber auch auf die Architektur aus, meint Barbara König, die den Katalog mit Barbara von Neumann-Cosel herausgegeben hat: „Überteuerte Bauformen, Fassadenelemente mit besonders kostspieligen Materialien oder Luxuseinrichtungen finden sich bei den Genossenschaften nicht.“