Proteste gegen Diktatur im Sudan: Das Regime lässt scharf schießen

Es begann mit Demos gegen Preiserhöhungen. Aus ihnen wurde ein breiter Protest gegen Langzeitherrscher Omar Hassan al-Bashir.

Demonstranten in Khartum rufen und gestikulieren

Demonstranten im Sudan: Polizei und Armee gehen gewaltsam gegen sie vor Foto: reuters

NAIROBI taz | Proteste und Streiks lähmen seit einer Woche den Sudan. Es begann mit Demonstrationen gegen die Erhöhung der Preise von Brot und Benzin, aber schnell kam der Ruf, dass Präsident Omar al-Bashir nach 29 Jahren an der Macht zurücktreten soll.

Es gibt im Sudan regelmäßig Proteste gegen die schlechte Wirtschaftslage und die schwierigen Lebensumstände der Bevölkerung. Die Polizei und Armee unterdrücken solche Demonstrationen mit Gewalt, was viele Tote fordert.

Doch die Gewalt jetzt ist größer als sonst. Bis zum 25. Dezember wurden bei ihrer Niederschlagung nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International 37 Menschen getötet. In den sozialen Medien sind Bilder und Videoaufnahmen zu sehen von Verwundeten und Toten mit Schusswunden. Die USA, Großbritannien, Norwegen und Kanada haben gemeinsam ihre Sorgen geäußert über „glaubwürdige Berichte über Nutzung von scharfer Munition gegen Demonstranten“.

Auch die Dynamik der Proteste ist anders. In der Vergangenheit begannen sie in der Hauptstadt Khartum, aber dieses Mal waren es Arbeiter in der Stadt Atbra, im Osten Sudans, die als erste auf die Straße gingen. Innerhalb von drei Tagen verbreiteten sich die Demonstrationen in großen Teilen des Landes und bis in die Hauptstadt. Politische Analysten glauben, dass der Protest immer mehr Züge eines Volksaufstandes annimmt.

Präsident verspricht Wirtschaftsreformen

Die Regierung hat Schulen und Universitäten geschlossen und in manchen Städten gilt eine Ausgangssperre. Präsident Bashir hat wirtschaftliche Reformen versprochen. Aber das hat er bisher noch jedes Mal getan, wenn Proteste ausbrachen, jedoch ohne wirklich etwas zu reformieren.

Mit wirtschaftlichen Maßnahmen dürften die Demonstrationen kaum einzudämmen sein. Schon kurz nach ihrem Beginn kam der Ruf nach einem friedlichen Rücktritt der Regierung. Die Büros der Regierungspartei NCP (National Congress Party) wurden Ziele der Demonstranten. „Die Regierungspartei ist nicht nur das Symbol für Tyrannei und Diktatur, sondern auch für die riesige Korruption“, meint Menschenrechtler und Arzt Amgad Fareid Eltayeb, der in England lebt.

Sudans Wirtschaftslage hat sich in jüngster Zeit dramatisch verschlechtert. Seit Präsident Bashir im Jahr 1989 an die Macht kam, war sie nie sehr gesund. Aber als im Jahr 2011, nach Jahrzehnten des Bürgerkrieges, der Südsudan vom Sudan unabhängig wurde, verlor Sudan drei Viertel seiner Ölfelder an Südsudan und damit den Großteil seiner Exporteinnahmen.

Südsudan bezahlt zwar Khartum für den Transport von Öl durch eine Pipeline zum Hafen Port Sudan am Roten Meer, aber der neue Bürgerkrieg im Südsudan, der seit 2013 währt, hat die Ölförderung fast komplett lahmgelegt und Sudans Einnahmen aus dem Transit damit auch. Sudans Auslandsschulden erreichten Ende 2017 56 Milliarden US-Dollar, davon 10 Milliarden an China, und die Regierung kann diese Schulden nicht bedienen.

Preise für Lebensmittel haben sich verdoppelt

Um das in die Höhe schnellende Haushaltsdefizit zu decken, wurden vor wenigen Monaten Verbrauchssteuern drastisch erhöht und das sudanesische Pfund abgewertet, sodass viele importierte Güter jetzt viel zu teuer sind für die normale Bevölkerung. Der Großteil der Staatsausgaben aber fließt in den Sicherheitsapparat und das Militär, und viele öffentliche Gelder fließen auf undurchsichtige Weise an Unternehmen im Umfeld des Staatsapparats.

Die Inflation liegt jetzt bei 60 Prozent, in manchen Fällen haben sich die Preise von Grundnahrungsmitteln verdoppelt. Die Wut des Volkes richtet sich auch gegen die Banken, die ungenügend Bargeld besitzen. Geldautomaten geben nur etwa zehn Euro pro Tag aus, wovon kaum eine Familie leben kann. Vielen glauben, dass Parteigenossen Bankkredite ohne Sicherheiten bekommen. „Die Bevölkerung hat ihren Glauben an Banken verloren und bewahrt Geld zu Hause auf“, meint Fareid Eltayeb.

Präsident Bashir gibt die Schuld an der schlechten Wirtschaftslage den USA: Jahrzehntelang stand Sudan unter US-Sanktionen, weil Sudan als Unterstützer des internationalen Terrorismus galt. Osama bin Laden, der ehemalige Führer von al-Qaida, lebte fünf Jahre im Sudan, wo er erfolgreiche Geschäfte machte. Voriges Jahr wurden die Sanktionen zwar beendet, aber die Wirtschaft ist noch immer im freien Fall.

Amgad Fareid Eltayeb, ­Menschenrechtler

„Die Regierungspartei ist das Symbol für die riesige Korruption“

Deshalb versucht Bashir, die Beziehungen mit ölreichen arabischen Länder zu intensivieren, vor allem mit Saudi-Arabien. Khartum hat Truppen nach Jemen geschickt, um an der Seite der saudisch geführten Koalition dort gegen pro-iranische Rebellen zu kämpfen. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben mehr als eine Milliarde Euro in Sudans Zentralbank gepumpt.

Doch auch in Bashirs eigenen Reihen wächst die Kritik. Kein Geringerer als Mohamed Hamdan Daglo, besser bekannt als „Hametti“, Leiter der aus den Janjaweed-Terrormilizen im westsudanesischen Darfur hervorgegangenen paramilitärischen Truppe RSF (Rapid Support Forces), hat im Radio jetzt die „korrupte“ Regierung in Khartum kritisiert.

In einer Rede hat Bashir die Bevölkerung vor weiteren Protesten gewarnt. Aber Aktivisten in den sozialen Medien rufen auf zu weiteren nationalen Streiks und friedliche Demonstrationen. Sie wollen diesen Moment nutzen.

Seit der Unabhängigkeit im Jahr 1956 hat es in Sudan selten einen friedlichen Machtwechsel gegeben. Auch Bashir kam durch einen Staatsstreich an die Macht. 1989 hatte er den damaligen Präsidenten Sadiq al-Mahdi gestürzt, heute einer der bekanntesten Oppositionsführer des Sudan. Al-Mahdi kam vorige Woche am Mittwoch, gerade als die ersten Proteste anfingen, zurück in die Heimat – nach einem Jahr freiwilligen Exils.

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