Kolumne Jung und dumm: Die Farbe Gelb

Mit Rechten reden? Aber immer! Nur wenn sie gelbe Westen tragen und fremd reden – dann sind sie dem deutschen Mainstream zu schmuddelig.

Brauner Baum vor gelbem Feld.

Gelb ist doch ganz schön nah an braun. Oder wie? Foto: dpa

Nach dem Fahrplanwechsel muss man sich von den neuen Stationsansagen in der Frankfurter U-Bahn nun regelrecht anschreien lassen. Zusätzlich zu dem gewohnten Phantomvibrieren im linken, handyseitigen Oberschenkel vibriert jetzt manchmal auch der rechte. Man ahnt vage, welche Blüten das noch treiben soll.

Apropos Blüten: Was man dem Zentrum für Politische Schönheit wirklich anrechnen muss, ist es, kluge Metaphern unters ohnehin von Informatikängsten geplagte Volk zu streuen. Der Verdacht, man könnte unbemerkterweise einem Honigtopf erliegen, ist indes nicht neu.

Und damit möchte ich überleiten zu einem Thema, dessen Farbzuordnung sich eher auf der Gefühlsebene vollzieht; für mich ist es gelb. Weiß jemand mehr über Mathilde Seelbach? Das ist eine ernst gemeinte Frage. Ma­thilde Seelbach (aka Ingeborg Schnabel) ist eine der faszinierendsten Figuren des Internets, obwohl es nur drei Videos gibt, die sie zeigen.

Sogar Gerüchte über sie sind rar, und seitdem ich die drei Videos – ein Zusammenschnitt, ein Remix namens „Katze in der Fensterbank“, eine Szene, in der ein vermummter Mann ihr ohne Absprache aus dem Off eine Topfpflanze bringt – vor ein paar Jahren entdeckt habe, die eine lebensfrohe, aber leicht zu verwirrende Dame beim Moderieren im Offenen Kanal Berlin zeigen, frage ich mich, was es auf sich hat mit ihr und ihrer rätselhaften Unauffindbarkeit.

Überall Diskursbrücken

Die Farbe Gelb entfaltet aber auch im Politischen ihre Signalwirkung, die da besagt: „Achtung! Vorsicht! Farbe Gelb in Sicht!“ Weil man in Frankreich seine emanzipativen wie faschistischen Anteile nicht wie hier nach innen, sondern auf die Straße nach außen enthemmt und damit gelegentlich die Ordnung des Ganzen etwas ernsthafter bedroht, sind Rassismus und Homophobie auf einmal nicht mehr berechtigte „Sorgen“ und Ausdruck verfehlter „linker Identitätspolitik“.

Plötzlich soll nun nicht mehr mit Rechten geredet werden und einfach schlechthin gar nicht mehr um Begriffe und Symbole gekämpft werden. Es sind da verschiedenerlei Verfügungsmassen im Spiel: gute und schlechte Arbeiterressentiments, aber auch gute und schlechte Homosexuelle.

Schlecht, das ist jener Schriftsteller Édouard Louis, der sich mit den schlechten Arbeitern solidarisiert und, wenn es sein muss, auch mal von einem Araber vergewaltigen lässt, nur um danach naiv-verständnisvoll mit seinen eingewanderten Mitbürgern Diskursbrücken bilden zu können. So will es jedenfalls der alternative Elfenbeinturm seit mehr als einem Jahr und hat wieder einen neuen Feind gefunden.

Dabei könnte die Welt so schön sein. Die neue CDU-Vorsitzende sieht in Homosexuellen zwar immer noch eine Gefahr für die Gesellschaft, will ihnen jedoch womöglich das Adoptionsrecht einräumen. Wie viele Homosexuelle Annegret Kramp-Karrenbauer genau adoptieren möchte: Darüber erfährt man aber mal wieder nichts.

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Seit 2015 bei der taz, zunächst als Praktikant, dann als freier Autor und Kolumnist (zurzeit: "Ungenießbar"). Nebenbei Masterstudium der Ästhetik in Frankfurt am Main. Schreibt über Alltag, Medien und Wirklichkeit.

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