Der Gig der Hamburger Gelbwesten

H.Gich.T spielen im Astra Kulturhaus in Friedrichshain auf, umrahmt vom eigenen DJ-Set. , Im Anschluss an das Konzert wurden in der U1 echte Dic Pics als Badgets verkauft. „Besser als die ‚Motz‘“, so die Verkäuferin

H.Gich.T aus Hamburg unterschreiten kunstsinnig auch das jenseitigste Ballermann-Niveau

Von René Hamann

Da sind sie ja, die „gilet jaunes“, die Gelbwesten. Da stehen sie im Astra Kulturhaus bierbewehrt unter einem Netz aus Neonwolle (isso) und feiern, als ob nicht bald schon Silvester gewesen wäre – H.Gich.T spielen auf, umrahmt vom eigenen DJ-Set, also leuchtet die gesamte Halle knallbunt und neon. „Bauarbeiterweste überstreifen, Schwarzlicht an und Anlage auf Maximum“, das war schließlich auch vorher die Ansage. Man hat ja nicht mehr viel Berührungspunkte zur heutigen Jugendkultur, so mit Mitte 40, aber entfernt kommt einem das doch bekannt vor, von den Elektropartys der Neunziger, als Electropunk zum Beispiel noch Gabba hieß und allerdings weitaus brachialer klang, ernster, härter. H.Gich.T sind so etwas wie der Helge Schneider des Genres, das ja ohnehin, man denke an die mittleren Deichkind, immer schon mit subversivem Humor operierte.

Am Samstag in Friedrichshain, unten am Indie-Ballermann, sah das dann so aus: lustig verkleidete und geschminkte junge Menschen wie im Rheinland zu Karneval, die Bauch-Beine-Po-mäßige Tänze unternehmen und tüchtig zulangen, was Alkohol und andere Rauschmittel betrifft (selten so viele „Kurze“ oder „Shots“ über eine Theke gehen sehen). Eine breite, feierwütige Menge, die Sachen wie „Hauptschuhle!“ oder „Hurra, hurra, die Außerirdischen sind da!“ grölt und auffangarme Arme für mutige Stagediver bereithält. Eine nicht minder angetüdelte Vortanzgruppe, die unter einer riesigen Kindergartenzeichnung auf der Bühne Krawall macht, inklusive Shouter, der unter dem Kommando „Unterhosenpower!“ zum allgemeinen Striptease aufruft – ah, deswegen war das Konzert erst ab 18!

H.Gich.T aus Hamburg sind ein mehrköpfiges Kollektiv, das einerseits den typischen Hamburger Humor hat, also zwischen trashbejahend, camp und anarchistisch einmal quer durch die bundesrepublikanische Alltagskultur surft, andererseits sich am liebsten über sich selbst lustig macht. Ein Kollektiv aus Kunststudierenden, das jenseitiges Ballermann-Niveau kunstsinnig unterschreitet. Man könnte die Musik dieses interessant erfolgreichen Kollektivs (drei Alben auf Tapete Records) aber auch wie folgt beschreiben: Irgendjemand wirft eine banane Beatmaschine an, darüber gibt es ein paar spukhafte Klingeltöne, und Caller Vhagvan Swami (früher Anna Maria Kaiser) im weißen Hemd sprechsingt windschief seine wie hinimprovisiert wirkenden Laberstorys darüber. Die nicht selten von irgendwie ganz unten, moralisch wie sozial, erzählen. „Die grenzenlose Sozialkritik hält dem Polizeiapparat gnadenlos den Spiegel vor und zwingt zur Re-evaluierung der eigenen Werte und sozialen Normen“, wie ein Kommentar unter einem ihrer zahllosen YouTube-Videos lautet.

„Der Betreuer liegt bei Steffi im Arm / Die Sonne zündet unsere Herzen an“, heißt es dann, oder „Ein Fußball fliegt durchs Fenster, danke, bitte.“ Und das sind nur die harmlosen Beispiele. Darüber hinaus könnte man auch über die allumgreifende Pornofizierung der Jugend philosophieren, über hedonistische Anarchie als Antwort, die Affirmation des Trashs, den einzig wahren Punk, über abstruse Penisringe oder echte Dic Pics, die im Anschluss an das Konzert in der U1 als Badgets verkauft werden („Besser als die Motz“, so die Verkäuferin). Oder man lässt es und freut sich einfach über den ganzen Quatsch, der hier die Party ist. Weil er sehr lustig ist – obwohl natürlich auf Dauer nicht wirklich zu ertragen. „Hurra, hurra, Steffi ist wieder da / Steffi ist das Opfer vom System, aha.“