Nigerianische Armee geht gegen NGO vor: Amnesty International im Visier

In einem Bericht kritisiert Amnesty International erneut die nigerianische Armee. Prompt droht diese damit, die Büros der NGO im Land zu schließen.

Ein nigerianischer Soldat mit Geschütz auf einem Boot

Reagierte extrem schnell auf den Amnesty-Bericht: die nigerianische Armee Foto: Reuters

COTONOU taz | So schnell ist Nigerias Armee selten oder auch nie, liest man den am Montag veröffentlichten neuesten Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. In dem Bericht „Harvest of Death“ (Todesernte) über den Konflikt zwischen Milizen von Hirten- und Bauernvölkern in Zentralnigeria steht auf 69 Seiten, dass die Sicherheitskräfte bei Angriffen selten vor Ort sind oder einschreiten, mutmaßliche Täter nicht verfolgen und es erst recht keine Prozesse und Verurteilungen gibt.

Das Ergebnis: Alleine in den ersten zehn Monaten 2018 starben in dem „Fulani-Konflikt“ mindestens 2.075 Menschen, seit Januar 2016 waren es mindestens 3.641. Der Staat, so die Kritik, unternimmt nichts, und wenn doch, dann zu langsam. Besonders betroffen ist der Bundesstaat Benue, wo alleine 726 Personen starben.

Darauf reagierte Nigerias Armee extrem schnell. Keine zwölf Stunden, nachdem der Bericht veröffentlicht und in den ersten Onlineausgaben der nigerianischen Tageszeitungen zu lesen war, verkündete Armeesprecher Sani Usman: „Das Ziel von Amnesty International ist es, das Land zu destabilisieren.“ Deshalb solle das Büro der Organisation in Nigerias Hauptstadt Abuja geschlossen werden. Laut Usman seien die Vorwürfe – AI hat eigenen Angaben zufolge für den Bericht 230 Dokumente und 262 Interviews ausgewertet – „fiktiv“. Außerdem hätte sich das Nigeria-Büro von Grundsätzen der Mutterorganisation losgesagt. Was bleibt da anderes übrig, als es gleich zu schließen?

Völlig überraschend kommt das Vorpreschen nicht. Bereits am Freitag wurde das UN-Kinderhilfswerk Unicef von Nigerias Armee bezichtigt, Terroristen zu unterstützen und für sie zu spitzeln – es ging um Unicefs Arbeit im Boko-Haram-Kriegsgebiet. Der Rauswurf aus dem Land wurde nach Gesprächen jedoch kurzerhand abgewendet, heißt es offiziell.

Bevorstehende Wahlen sorgen für Nervosität

Amnesty International hat sich in den vergangenen Jahren schon öfter kritisch zum Verhalten der Streitkräfte geäußert. Angeprangert wurde vor allem der Umgang mit der Terrorgruppe Boko Haram. Als 2014 276 Schulmädchen in Chibok entführt wurden, seien etwa Warnungen ignoriert worden. Im Mai diesen Jahres warf die Menschenrechtsgruppe dem Militär vor, im Kampfgebiet Männer tausendfach als mutmaßliche Terroristen oder deren Sympathisanten zu verhaften und dann deren Frauen zu internieren und zu vergewaltigen; Tausende Zivilisten seien seit 2015 in vom Militär kontrollierten Lagern zu Tode gekommen.

Anders als bisher ist diesmal, dass in Nigeria in knapp zwei Monaten gewählt wird. Die Prognosen für den 76-jährigen Muhammadu Buhari sind schlecht. Sicherheitsfragen sind für ihn von großer Bedeutung: Mit dem Versprechen, die Armee effizienter zu machen, hatte Buhari 2015 Vorgänger Goodluck Jonathan besiegt. Nun rennt der Armee die Zeit davon. Deswegen richtet sich der Zorn jetzt erst einmal gegen Amnesty International.

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