heute in bremen
: „Das soll sich jeder leisten können“

Foto: privat

Anne Driever,65, Bankkauffrau, arbeitet seit 2014 ehrenamtlich in der Nahtstelle.

Interview Eiken Bruhn

taz: Frau Driever, ich brauche noch ein Last-Minute-Geschenk. Lohnt es sich, bei Ihnen vorbeizukommen?

Anne Driever: Ja, unbedingt! Wir haben hier alles Mögliche: Taschen in jeder Façon, Patchwork-Decken, Kinderkleidung, gestrickte Loops, Mützen und Stulpen. Und wenn Sie noch eine Verpackung brauchen: Wir haben gerade Taschen aus Schlipsen fertig gestellt.

Das machen Sie alles in der Werkstatt der Nahtstelle?

Wir fertigen auch viel zu Hause.

Und Sie leiten die Nahtstelle?

Nein, ich bin eine von 18 Ehrenamtlichen und versuche, die Fäden zusammenzuhalten. Bis 2016 wurden wir noch von der „Aktion Mensch“ gefördert und konnten eine Schneiderin anstellen. Ab Januar soll es wieder eine pädagogische Leitung geben für die Nahtstelle, das Fairkaufhaus und den Anziehungspunkt, wo Kleidung und andere Sachen gegen geringe Spenden mitgenommen werden können.

Wofür braucht es eine pädagogische Leitung?

Die Nahtstelle ist ein integratives und inklusives Projekt, das heißt, hier arbeiten Ehrenamtliche wie ich zusammen mit anderen Frauen, die vielleicht eine Tagesstruktur brauchen, um sich zu stabilisieren.

Warum engagieren Sie sich dort?

Weil Nähen mein Hobby ist. Ich wollte nicht zu Hause herumsitzen, nachdem meine Abteilung aufgelöst und ich in den Frühruhestand geschickt wurde.

Selbst genähtes im Fairkaufhaus „Bemerkenswert“,11 bis 17.30 Uhr, Violenstraße 12

Sind die meisten, so wie Sie, Rentnerinnen?

Ja, aber wir haben auch immer ein paar Jüngere. Und hier arbeiten derzeit Frauen aus dem Iran, Ägypten, Polen und Litauen.

Läden mit Selbstgemachtem gibt es immer mehr, die Sachen kosten meistens ziemlich viel Geld. Bei Ihnen auch? Oder können sich das auch Leute leisten, die extra das Fairkaufhaus aufsuchen?

Wir hatten mal eine Studentin hier, die sagte: „Ihr seid viel zu günstig und verkauft euch unter Wert.“ Aber wenn wir das nicht machen würden, könnten sich das dann wieder viele nicht leisten. Und die Materialien werden alle gespendet.