Urteil gegen rechten Waffenhändler: Vom Ende einer knalligen Karriere

Mario R. verkaufte im Netz Waffen mit rassistischen Namen und erhielt zehntausende Euros von rechten Verlagen. Nun muss er ins Gefängnis.

Ein beschlagnahmter Revolver aus den Waffengeschäften von „Migrantenschreck“

Fieses Gerät: beschlagnahmter Revolver aus den Waffengeschäften von „Migrantenschreck“ Foto: Andreas Arnold

BERLIN taz | Die Waffen trugen Namen wie „Migrantenschreck DP120 Bautzen Edition“ oder „Antifaschreck AS125“. Auch die Produktbeschreibungen ließen wenig Zweifel daran, welchen Verwendungszweck der Verkäufer Mario R. für die Schießgeräte im Sinn hatte: „60 Joule Mündungsenergie strecken jeden Asylforderer nieder“, stand beispielsweise unter einem Revolver. Und die Schreckschusswaffe „MS55 Lady“ versprach „jeden Schurken“ zu vertreiben, „egal ob Ficki-Ficki-Fachkraft oder Hobbydieb“.

Am Dienstag hat das Landgericht Berlin den mutmaßlichen Rechtsextremisten Mario R. wegen illegalen Waffenhandels zu zwei Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der 35-Jährige einen Online-Waffenshop namens „Migrantenschreck“ von Ungarn aus betrieben hatte. Zwischen Mai und November 2016 habe R. 167 illegale Schusswaffen an deutsche Kunden geliefert. Der Thüringer erzielte damit einen Gewinn von 99.000 Euro.

R. hatte im Laufe des Prozesses die Geschäfte eingeräumt. Er sei davon ausgegangen, ein legales Geschäft zu betreiben, sagte er. Die Waffen seien in Ungarn legal und gelten dort als „Sicherheitstechnik“. Das Gericht sah das anders. R. sei des unerlaubten Handels und der Verbringung von Schusswaffen in den deutschen Geltungsbereich schuldig. Die Waffen habe er zudem perfide beworben. Der Tatgewinn von rund 99.000 Euro wird eingezogen, urteilte das Landgericht. Es folgte im Wesentlichen der Staatsanwältin Susann Wettley, die drei Jahre und zwei Monate Haft verlangt hatte. R.s Verteidiger kündigten Revision an. Sie hatten zuvor eine Einstellung des Verfahrens oder Freispruch verlangt.

Das Urteil markiert das Ende einer über zwei Jahre langen Jagd der Behörden nach dem „Migrantenschreck“-Betreiber.

Zwei Jahre gesucht, am Ende in Ungarn festgenommen

Bereits Anfang 2016 war R. zur Fahndung ausgeschrieben worden, zunächst wegen Volksverhetzung und Verleumdung. Spätestens Ende 2016 wurde bekannt, dass die Ermittler R. als Drahtzieher hinter dem Waffenversand vermuteten. Der hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits nach Ungarn abgesetzt. Ende März 2018 nahmen ihn ungarische Spezialeinheiten fest und lieferten ihn drei Monate später nach Deutschland aus.

Der „Migrantenschreck“-Shop führte in seinem Sortiment gasbetriebene Pistolen und Langwaffen, die Hartgummiprojektile verschießen. Tests des Bundeskriminalamts (BKA) hatten ergeben, dass die Geschosse mehrere Zentimeter in menschliches Gewebe eindringen und Knochen zersplittern können. Die Waffen gelten in Deutschland als Schusswaffen und sind erlaubnispflichtig. Den Kunden versprach die Seite jedoch den Versand der Waffen „ohne lästige bürokratische Hürden“. Viele Käufer sind bereits wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz verurteilt worden.

Dass R. sein lukratives Waffen-Start-up überhaupt aufziehen konnte, hatte er womöglich auch hohen Zahlungen von zwei Verlagen aus dem rechten Spektrum zu verdanken: dem Magazin Compact und dem Kopp-Verlag. Insgesamt 110.000 Euro überwiesen die zwei publizistischen Zentralorgane der Neuen Rechten zwischen Januar 2016 und September 2017 auf ein Schweizer Konto von R., wie die Staatsanwaltschaft Berlin auf Anfrage bestätigt.

Gute Geschäfte mit Compact und dem Kopp-Verlag

Das Magazin Compact gab zwischen Januar und Juli 2016 insgesamt 13 Einzelüberweisungen an R. in Auftrag. Die Zuwendungen beliefen sich auf insgesamt 75.000 Euro. Wofür R. die Summe genau erhielt, ist unklar. Auf eine Anfrage hat Compact nicht reagiert.

Werbung für einen Revolver

„60 Joule Mündungsenergie strecken jeden Asylforderer nieder“

Dass R. eine Zeit lang die Werbetrommel für Compact-Abos gerührt hatte, ist allerdings von beiden Seiten bestätigt worden. In einem Blogbeitrag vom Oktober 2016 räumt das Magazin ein, R. zeitweise als freien Mitarbeiter beschäftigt zu haben. Auf dem rechten Verschwörungs­blog AnonymousNews.ru, das laut Ermittlern ebenfalls von R. betrieben worden sein soll, heißt es, R. habe sich um das Marketing des Magazins gekümmert. „Innerhalb von wenigen Monaten hatte ich unter allen Compact-Mitarbeitern das höchste Einkommen“, so R. nach Angaben des Blogs. Ein weiteres finanzielles Standbein bot sich R. durch den Kopp-Verlag. Der Verlag, der unter anderem Bücher über Ufologie und alternative Heilkunde vertreibt, überwies R. zwischen April 2016 und September 2017 in mehreren Einzelüberweisungen über 40.000 Euro.

Der Verleger Jochen Kopp bestätigte die Zahlungen laut Medienberichten. Hätten Käufer über R.s Blog AnonymousNews.ru den Weg zum Verlag gefunden, habe dieser dafür eine Provision eingestrichen. Insgesamt habe R. dadurch einen „Umsatz im fünfstelligen Bereich“ erzielt, hieß es demnach von Seiten des Verlags: „Soweit Zahlungen erfolgten, beruhten diese auf den üblichen Provisionen für die Vermittlung von Buchverkäufen über dessen Internet-Blog.“

R. bestätigte vor Gericht den Zusammenhang zwischen den Zahlungen der rechten Verlage und seinem illegalen Waffenversand. Das Geld habe er benutzt, um die Waffen vom ungarischen Hersteller einzukaufen, die er später in seinem Online-Shop unter neuen Namen vertrieb, sagte R. in seiner Einlassung.

Verlage weise Beschuldigungen zurück

Dass Gelder aus den hauseigenen Verlagstöpfen für den Handel mit Schusswaffen genutzt wurden, die zum Einsatz gegen Menschen empfohlen wurden, weist der Kopp-Verlag laut Medienberichten zurück. Man habe Mario R. im Sommer 2017 „nach Bekanntwerden seines bedenklichen Verhaltens“ gekündigt. Der Verlag habe zu keiner Zeit Geschäfte von R., „die Gegenstand der Anklage sind, mit Zahlungen unterstützt“.

Doch die Zahlungen des Kopp-Verlags an R. gingen weit in das Jahr 2017 hinein, die letzte Tranche erreicht ihn im September 2017. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits zahlreiche öffentliche Hinweise, dass R. hinter „Migrantenschreck“ stecken könnte. Auch war er bereits Anfang 2016 wegen Volksverhetzung von der Staatsanwaltschaft Erfurt zur Fahndung ausgeschrieben worden.

Compact war früh um Distanz zum ehemaligen Partner bemüht. Schon im Oktober 2016 warnte man in einem Blogbeitrag vor den „kriminellen Machenschaften von Migrantenschreck und R.“.

Waffen: Namen neu erfunden und teuer verkauft

Am 3. Mai 2016 verkaufte R. die erste Waffe an einen Kunden. Exakt einen Tag vorher verzeichnet sein Schweizer Konto eine weitere Einzahlung von 3.000 Euro. Absender: Compact. Das Magazin überwies danach noch viermal Summen auf R.s Konto, zuletzt am 1. Juli. Die größte Einzahlung erreicht R. am 3. Februar: 26.925,98 Euro verbucht R.s Schweizer Konto an diesem Tag auf der Habenseite.

Wie hilfreich die Gelder von Compact und Kopp beim Hochziehen seines Waffenladens waren, verdeutlicht ein Blick auf R.s Investitionskosten. Er bezog die „Migrantenschreck“-Waffen von der Waffenschmiede Keserü, die ihren Sitz keine 15 Autominuten entfernt von seiner Budapester Wohnung hat. Das Geld kam unter anderem von seinem Schweizer Konto. R. sagte vor Gericht, er habe in dieser Zeit teilweise „mehrmals die Woche 500 Euro“ von seinem ungarischen Konto abgehoben.

Die Waffen bezahlte R. bei Keserü in bar. Für den Weitervertrieb auf „Migrantenschreck“ labelte er die Waffen um und verkaufte sie im Schnitt für das Doppelte. Die „Migrantenschreck MS55 Lady“ (299 Euro) heißt eigentlich Zoraki 914 und kostet bei dem Hersteller aktuell umgerechnet 76 Euro. Das Repetiergewehr „Migrantenschreck HD130 Superior“ (749 Euro) ist beim Hersteller aktuell für umgerechnet 307 Euro erhältlich.

Wer bei „Migrantenschreck“ eine Waffe kaufen wollte, bezahlte per Vorkasse auf eines von R.s ungarischen Konten. Zu dessen kreativer Buchführung gehörte, dass er nicht nur mehrere Konten parallel führte, sondern Gelder auch auf das Konto seiner ehemaligen Freundin sowie auf das Konto eines Freundes transferierte.

Am Ende stolpert der Mann über Geldwäsche-Vorwürfe

Es gehört zu den Besonderheiten dieses Falls, dass R. am Ende weder seine illegalen Waffengeschäfte noch die flüchtlingsfeindliche Rhetorik zum Verhängnis wurde. Die Razzia in R.s Budapester Wohnung Ende März kam erst durch einen Geldwäscheverdacht zustande: Da die „Migrantenschreck“-Waffen in Ungarn legal gehandelt werden dürfen, wurden die dortigen Behörden erst aktiv, als die Berliner Staatsanwaltschaft ihnen Hinweise gab, dass R. die Einnahmen aus dem Waffenhandel auf andere Personen übertrug.

R. gab sich in der Verhandlung zurückhaltend. Noch am Tag seiner Festnahme hatte er den Beamten siegessicher entgegengehalten, „das Merkel-Regime“ sei für ihn „nicht zuständig“, wie ein Polizeizeuge berichtete. Auf der Anklagebank wirkte R. dann wie ausgetauscht. Er sprach ruhig und leise, manchmal unter der Hörbarkeitsgrenze. Meist saß er da und verfolgte in blauen Jeans, blauem Pullover und graublauen Sneakern aufmerksam das Gerichtsgeschehen. Sein Gesicht wirkte blass, resigniert und von der Haft gezeichnet.

Die 99.000 Euro Tatgewinn aus dem „Migrantenschreck“-Geschäft schuldet R. nun der Justizkasse – zuzüglich der Verfahrenskosten. Erträge aus Straftaten verwandeln sich nach Verurteilung in Verbindlichkeiten an den Staat. Mit Schulden wird R. das Gefängnis vermutlich trotzdem nicht verlassen. Er ist Mitbesitzer von zwei Grundstücken und eines Einfamilienhauses. In seiner 120-Quadratmeter-Wohnung im vornehmen Budapester Stadtteil Pasarét fanden die Ermittler außerdem allerlei Vermögensgegenstände, die sich zu Geld machen lassen, darunter mehrere Uhren und ein Werk des deutschen Pop-Art-Künstlers Devin Miles. Die Staatsanwaltschaft Berlin geht davon aus, dass R.s Schulden an den Staat „aus dem gesicherten Vermögen beglichen werden können“.

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