Verschobene Abstimmung im Parlament: Auf Rettungsreise

Nach Absage der Brexit-Abstimmung sucht Theresa May in Europa das Gespräch – aber findet dort nur höfliche Unverbindlichkeit.

Jetset oh-oh-oh: May tourte am Dienstag von Den Haag, nach Berlin, weiter nach Brüssel Foto: reuters

DEN HAAG/BERLIN/BRÜSSEL taz | Es war wie ein Sinnbild der verfahrenen Brexit-Lage, als Theresa May am Dienstagmittag im verregneten Berlin vor dem Kanzleramt vorfuhr und ihre Autotür klemmte. Mehrere Versuche, die britische Premierministerin aussteigen und Angela Merkel begrüßen zu lassen, scheiterten – bis jemand irgendwo vorne irgendeine unsichtbare Vorrichtung betätigte.

Ungefähr so wie Theresa May in ihrem verriegelten Auto fühlt sich Großbritannien nach Ansicht der Mehrheit seiner Politiker mit dem Brexit-Abkommen mit der EU, dessen Ratifizierung im Londoner Parlament jetzt wegen des massiven Widerstandes auf Eis liegt.

Der sogenannte backstop für Nordirland, der eine zeitlich unbegrenzte und nicht aufkündbare Zollunion ganz Großbritanniens mit der EU vorsieht, solange beide Seiten kein Freihandelsabkommen aushandeln, ist der Hauptgrund dafür, dass dieser Deal im Parlament nicht mehrheitsfähig ist und daher May am Montagnachmittag die für Dienstag geplante Abstimmung zur Ratifizierung des Abkommens abblies, weil sie mit einer sicheren Niederlage geendet wäre.

Bevor sie das 585-seitige Papier dem Parlament erneut vorlegt – dies soll bis zum 21. Januar 2019 geschehen, bekräftigte die britische Regierung am Dienstag erneut – muss und will May etwas daran ändern. Sie suche „Zusicherungen“, wonach der backstop zeitlich befristet sei, sagte sie. Es liegt aber in der Natur einer solchen Auffanglösung, dass sie nicht befristet sein kann, egal was man an Absichtserklärungen und Zusatzprotokollen dazustellt.

Von Den Haag über Berlin nach Brüssel

Dies betont auch das Rechtsgutachten der Regierung zum Abkommenstext, das die Regierung May erst vergangene Woche widerwillig den Abgeordneten zur Verfügung stellte – und das sich als zusätzliche Munition der Abkommensgegner erwiesen hat. Es wird darin auch auf die Möglichkeit verwiesen, dass am Ende Nordirland allein in der Zollunion bleibt, der Rest Großbritanniens aber nicht – womit die von der EU überwachte Zollgrenze innerhalb des Vereinigten Königreiches doch noch entstehen würde, von der Theresa May immer wieder gesagt hat, kein britischer Premierminister könne das je akzeptieren.

Auf der Suche nach „Zusicherungen“, die das alles anders aussehen lassen, flog May am Dienstag nach Den Haag, Berlin und Brüssel, um erst mit den Regierungschefs der Niederlande und Deutschlands und dann mit EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker zu sprechen.

Tusk und Juncker machten vorab allerdings klar, Neuverhandlungen werde es nicht geben und der backstop stehe nicht zur Disposition. Merkel sagte nach ihrem Gespräch lediglich, dass die EU bereit sei, mit May über zusätzliche „Sicherheiten“ zu sprechen.

Der Zorn wächst

Da sich an der Substanz des Deals nichts ändern wird, erschließt sich der mögliche Sinn von Theresa Mays Blitztour britischen Beobachtern vor diesem Hintergrund nicht. Vielmehr ist der Zorn der Parlamentarier über die Premierministerin jetzt eher noch gewachsen. Dass May ihnen erst drei Tage Parlamentsdebatte zumutet und dann den zu debattierenden Abkommenstext einfach wieder zurückzieht, stößt selbst beim Parlamentspräsidenten John Bercow auf Empörung: Der konservative Politiker, der eigentlich von Amts wegen zur Neutralität verpflichtet ist, nannte das Vorgehen der Regierung zwar rechtmäßig, aber „zutiefst unhöflich“ gegenüber der Legislative.

Bercow ließ eine kurzfristige Sonderdebatte zu, und während am Dienstag die Premierministerin durch Europa flog, flogen im Unterhaus in London die Fetzen. Die Labour-Opposition erwägt nun, im Parlament die Vertrauensfrage zu stellen.

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