Diskussion über „Moschee-Steuer“: Ein Vorschlag, viele Irrtümer

Die Berliner Imamin Seyran Ateş hat erneut eine „Moscheesteuer“ ins Gespräch gebracht. Dabei fußt die Idee auf einem deutschen Anachronismus.

Betender in einer Moschee

Privatsache Foto: dpa

Es gibt Ideen, die scheinen auf den ersten Blick einleuchtend. Aber bei näherer Betrachtung erweisen sie sich als ziemlicher Unsinn. Aktuelles Beispiel: In der nachrichtenarmen Weihnachtszeit hat die Berliner Rechtsanwältin Seyran Ateş die Einführung einer „Moscheesteuer“ ins Gespräch gebracht.

Der erste Irrtum: Dem Vorschlag liegt offenkundig die Vorstellung zugrunde, der staatlich organisierte Einzug von Mitgliedsbeiträgen sei bislang ein Privileg der beiden Großkirchen. Doch auch wenn diese am meisten davon profitieren, ist das falsch. Genauso wie es die „Kultussteuer“ für die jüdische Gemeinden gibt, könnten schon jetzt islamische Gemeinschaften in den Genuss einer „Moscheesteuer“ kommen. Wenn sie denn wollten.

Sie müssen sich nur als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisieren. Dazu sind die großen islamischen Dachverbände jedoch nicht bereit, weil sie dann unter anderem gezwungen wären, eine feste Mitgliedschaft zu definieren. Das ist ihre Entscheidung. Der Körperschaftsstatus ist jedenfalls keine unüberwindliche Hürde, wie die Beispiele der kleinen Ahmadiyya-Muslim-Gemeinschaft und der Alevitischen Gemeinde Deutschland zeigen.

Die sind in verschiedenen Bundes­ländern als öffentlich-rechtliche Körperschaft anerkannt und haben dort schon jetzt das Recht, die Beiträge ihrer Mitglieder von den Finanzbehörden einziehen zu lassen. Sie verzichten allerdings freiwillig darauf – wie übrigens auch einige christliche Religionsgemeinschaften, zum Beispiel die Neuapostolische Kirche, die Methodisten, die Baptisten, die Mormonen, die Zeugen Jehovas oder die orthodoxen Kirchen.

Der zweite Irrtum: Mit einer analog zur Kirchensteuer organisierten Finanzierung könnte der als schädlich betrachtete ausländische Einfluss auf muslimische Gemeinden eingedämmt werden, behaupten Befürworter. Aber warum sollte das so sein?

Obwohl sie seit dem 19. Jahrhundert das Kirchensteuerprivileg in Anspruch nehmen kann, hat sich jedenfalls die deutsche Filiale der römisch-katholischen Kirche bis heute nicht vom Vatikan emanzipiert. Trotz finanzieller Unabhängigkeit entscheidet noch immer der Papst, wer einem Bistum vorsteht. Er ernennt die Bischöfe, nicht irgendeine kirchliche Institution in der Bundesrepublik.

Und selbst wenn es die Deutsche Bischofskonferenz oder das Zentralkomitee der deutschen Katholiken anders wollten, bliebe die grundgesetzlich verbriefte Gleichberechtigung von Frauen und Männern in ihrer Kirche ein frommer Wunsch.

Warum soll der Staat überhaupt als Dienstleister für irgendwelche nichtstaatlichen Organisationen agieren?

Die ideologische Orientierung und organisatorische Verbindung einer Religionsgemeinschaft ist eben keine Frage der Herkunft des Geldes. Eine Moscheesteuer würde daher noch nichts an der Ausrichtung einer muslimischen Gemeinde an Ankara oder Riad ändern.

Der dritte Irrtum: Ateş beklagt, deutsche Moscheen würden, weil es ihnen an eigenem Geld fehlt, auf Imame aus der Türkei zurückgreifen. Was führt sie zu dem Glauben, es läge nur an der Bezahlung durch den türkischen Staat, dass insbesondere die Imame in den Gemeinden der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib), dem größten islamischen Dachverband, aus der Türkei gesandt werden?

Schließlich stammt der Klerus etlicher anderer in Deutschland minoritärer religiöser Zusammenschlüsse, wie der verschiedenen christlich-orthodoxen Kirchen, ebenfalls in der Regel nicht aus Deutschland. Und selbst die römisch-katholische Kirche greift zunehmend auf auswärtige Fachkräfte zurück. So kommt inzwischen fast jeder fünfte katholische Priester aus dem Ausland.

Der vierte Irrtum: Mit einer Moscheesteuer könne alles, was die Gemeinden brauchen, „in Zukunft von den Mitgliedern selbst aufgebracht werden“, sagte Ateş der Welt. Was sie dabei übersieht: Eine solche Steuer ändert nichts an der personellen Stärke, sondern erspart nur eigene Anstrengungen beim Einzug des Mitgliedsbeitrags.

Das heißt: Eine kleine religiöse Gemeinschaft mit wenigen Mitgliedern hat so oder so geringe Beitragseinnahmen, falls sie welche erhebt, und ist entsprechend auf anderweitige Zuwendungen angewiesen. Das gilt für die liberale Ibn Rushd-Goethe Moschee von Ateş ebenso wie für jene problematischen Hinterhofmoscheen, in denen eine salafistische Auslegung des Koran gepredigt wird.

Die Grundsatzfrage: Warum soll der Staat überhaupt als Dienstleister für die Einziehung der Mitgliedsbeiträge für irgendwelche nichtstaatlichen Organisationen agieren? Das Kirchensteuersystem in der BRD ist eine anachronistische deutsche Besonderheit, deren Haltbarkeitsdatum längst abgelaufen ist. Der Trennung von Kirche und Staat widersprechend, passt es nicht mehr in die heutigen säkularen Zeiten.

Was für Parteien, Gewerkschaften, Sportvereine oder den ADAC gilt, sollte auch für Religionsgemeinschaften gelten. Und zwar für alle.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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