Jörn Kabisch
Angezapft
: Porter, geschliffen schwarz

Foto: privat

Mit Porter ist es wie mit Free Jazz. Nur selten eingängig ist die Biersorte, macht aber nachhaltig Eindruck. Und wenn das Glas mit schwarzer Flüssigkeit vor einem steht, weiß man nie, was kommt: eher harmonischer Bebop oder reiche Dissonanzen wie in der Zwölftonmusik? Die Brauer scheinen hier sehr auf Intuition zu setzen, so komme ich auf den Jazz-Vergleich.

Auch was ein Porter überhaupt sein soll, widersetzt sich heutzutage jedem Definitionsversuch, vor allem im Vergleich zum Stout, diesem anderen so urenglischen Schwarzbier. Es gab Zeiten, da war das Porter dessen leichtere und süffigere Schwester. Heute hat sich die Beziehung umgekehrt: Das Stout hat etwas weniger Alkohol und ist das süßere Bier – in der Regel.

Die Ausnahmen sind so mannigfaltig, dass ich mir sogar diese Erwartungshaltung abzutrainieren versuche. Porter – diese Beschreibung gefällt mir am besten – ist etwas für den intellektuellen Trinker. Und gerade deshalb bin ich immer auf der Suche nach dem typischen und im besten Sinn durchschnittlichen Exemplar: Nach einem Porter, das mir als Benchmark taugt, wenn ich auf irre Improvisation oder geniale Avantgarde treffe. Die Modern-Jazz-Variante sozusagen.

Das Hanseatic Porter von Simian scheint so eins zu sein – harmonisch ausbalanciert, aber mit absichtlich gesetzten Irritationen. Gebraut wird es von einem Engländer: Ian Faulkner hat schon länger einen guten Namen in der Brauerszene und hat sich 2018 in Elmshorn, vor den Toren Hamburgs, selbstständig gemacht. Was mich für sein Porter so einnimmt, sind dessen Malze. Sie stammen von Thomas Fawcett & Sons, einer Mälzerei in West Yorkshire mit 200-jähriger Geschichte, die noch immer auf traditionelle Röstverfahren setzt.

Ein englischer Brauer und englische Zutaten, nicht die schlechtesten Voraussetzungen, denke ich mir. Und habe im Glas tatsächlich ein geschliffen bitteres Schwarzes. Relativ trocken ist es, „crisp“ wie man auf der Insel sagt, weil die fehlende Süße das Bier kristallfrisch schmecken lässt. Und dann sind da typische Noten von Süßholz und Lakritz; akzentuiert, aber nicht aufdringlich, genau wie es sich für so ein Schwarzbier gehört. Immer wieder meldet sich zudem eine feine Ätherik wie ein kurzes Rauschen im Radio. Ian Faulkner hat amerikanischen Aromahopfen verwendet, das sind die kleinen Irritationen.

Hanseatic Porter, Simian Ales, 6 % vol.

Richtig abgefahren kann es das Hanseatic Porter aber auch, man muss es nur eine Spur schneller einschenken: Karamellfarbener, kaffeehafter Schaum entsteht dann, rasierschaumfest und cremig. Ich habe dafür gleich zum Löffel gegriffen – ganz Avantgarde.