taz-Serie Was macht eigentlich…? (Teil 8): Bloß nicht in meinem Garten

Im Süden Blankenburgs, dem bald womöglich größten Neubaugebiet Berlins, liegen die Nerven bei Kleingärtnern und Anwohnern blank.

Ein Mann sitzt in einem Sessel und hat einen kleinen Hund an der Leine dabei

Werner (der seinen Nachnamen nicht nennen will) ist Jahrgang 1940; still protestiert er gegen die Neubaupläne in Blankenburg Foto: Sebastian Wells

Ines Landgrafs Lächeln wirkt zumindest siegesgewiss, als sie ein Café im Zentrum der Stadt betritt. Der Arbeitsplatz der resoluten und stets freundlichen Frau befindet sich in der Nähe, ihr Wohnort dagegen weiter draußen. Ines Landgraf wohnt im Süden des Stadtteils Blankenburg. Dort hat sie ein Grundstück gepachtet, außerdem ist sie im Vorstand des Vereins Garten- und Siedlerfreunde Anlage Blankenburg. Die Anlage ist mit 1.400 Parzellen eine der größten der sogenannten Mischanlagen Deutschlands. Hier stehen Gartenlauben neben Wohnhäusern, und zwar auf Eigentums- wie Pachtgrundstücken.

„Wir haben einen Teilerfolg errungen“, sagt Landgraf stolz. In der dritten Dezemberwoche hat das Bezirksamt Pankow beschlossen, dass der Investitionsschutz, eine Art Kündigungsschutz für Pächter, nicht wie geplant 2022 auslaufen soll, sondern erst 2030. Indirekt bekräftigt der Bezirk damit, dass entgegen den Plänen des Senats für Stadtentwicklung in Blankenburg nicht 10.000, sondern maximal 6.000 Wohnungen entstehen sollten. Damit wäre die Kuh vom Eis, die Anlage gerettet.

2018 machte der Süden Blankenburgs in vielen Medien Schlagzeilen, denn hier soll eines der größten Neubaugebiete der Stadt entstehen. Ein Bürgerbeteiligungsverfahren für die Anwohner wurde anberaumt, doch im März verkündete Senatorin Katrin Lompscher (Linke) bei der Auftaktarena des Verfahrens, dass hier weitaus mehr Wohnungen entstehen könnten, und zwar nicht wie geplant nur auf den Rieselfeldern.

Auch die Anlage Blankenburg, so Lompscher, könnte für Wohnungen und neue Verkehrswege abgerissen werden, die Wohnungen würden dringend benötigt in der wachsenden Stadt. Wortwörtlich hieß es in den Plänen: „In den Erholungsanlagen wird die derzeitige Nutzung aufgegeben zugunsten eines Wohngebiets. Für die bisherigen Nutzerinnen und Nutzer, deren Grundstücke von der Umgestaltung betroffen sind, werden im Dialog mit ihnen sozial verträgliche und individuelle Ersatzangebote erarbeitet.“

In der vierten Generation

Die Bewohner der Erholungsanlage reagierten – natürlich – empört. Es war von „Wortbruch“ und „Verarschung“ die Rede, bis zum heutigen Tag hängen am Rand der Anlage Transparente an den Hecken, auf denen markige Sprüche wie „Achtung! Lompschzilla“ stehen. Lompscher, die schon damals scharf kritisiert wurde, nicht genug zu bauen, hatte ein Problem. Schwer vorstellbar, wie „sozialverträgliche Entschädigungen“ funktionieren sollen, wenn manche Menschen in der Anlage Blankenburg bereits in der vierten Generation leben. Wenn sich die Leute dort ein funktionierendes Dorfleben aufgebaut haben.

Die meisten Geschichten enden nicht, bloß weil wir einen Artikel für die taz berlin darüber geschrieben haben. Deshalb fragen und haken wir bei ProtagonistInnen noch einmal nach. In unserer Serie „Was macht eigentlich ...?“ rund um den Jahreswechsel 2018/19 erzählen wir deshalb einige Geschichten weiter. Nach dem Sport- und Erholungszentrum (SEZ) in Friedrichshain, der Thaiwiese im Preußenpark, den Neubauplänen für ein Hertha-Stadion oder dem Zustand des Berliner Waldes geht es nun um die Kleingärtner in Blankenfelde. Bleiben sie von den Neubauplänen des Senats verschont? Der Bezirk Pankow hat ihnen schon mal Unterstützung zugesichert, der Senat noch nicht. (taz)

Anders als in vielen Kleingärten, wo es bis zur Anzahl der angebauten Kohlköpfe Vorschriften gibt, geht es in der Erholungsanlage in Blankenburg bunt und lustig zu. Hier haben sich Menschen mit viel Eigeninitiative ein winziges Stück vom Paradies erobert, das sie sich woanders eher nicht hätten leisten können. Wie soll man so etwas bewerten, wenn man es verkaufen müsste?

Seit der Auftaktveranstaltung mit Lompscher geht auch die AfD verstärkt auf Stimmenfang im Süden Blankenburgs. Die Partei nutzt seit 2017 ein ehemaliges Restaurant im Kern des alten Dorfs Blankenburg als Wahlkreisbüro, im Mai 2018 kam es zu einer Fahrraddemo der Antifa, um gegen die Vereinnahmung der Proteste durch die AfD zu protestieren. Ines Landgraf kann dieses Vorgehen der AfD bestätigen. „Die AfD findet in Blankenburg derzeit viele Frustrierte und Verängstigte, die anfällig sind für einfache Welterklärungen und Feindbilder.“

„Frühestens Sommer 2019“

Andererseits habe die AfD kürzlich eine Veranstaltung im Vereinsheim der Anlage angefragt und sich einen energischen Korb eingefangen, berichtet sie stolz. Und erzählt dann von vielen Menschen in ihrem Umfeld, die sich nicht ins Bockshorn jagen lassen, die sich sehr genau über ihre Rechte und Chancen informieren, zum Beispiel in einer Sprechstunde der Senatsverwaltung, die seit dem Herbst zweimal in der Woche in Blankenburg stattfindet.

Wie der Senat auf den „Ratschlag“ des Bezirks reagieren wird? Das steht noch in den Sternen. Auf Anfrage der taz heißt es, es sei „von Anfang an geplant“ gewesen, ein neues Stadtquartier mit 5.000 bis 6.000 Wohnungen zu errichten. Im März seien lediglich „drei Planungsvarianten vorgestellt“ worden, „in die weitere Flächen miteinbezogen wurden“, so die Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Dietl. Man befinde sich „derzeit noch in der erste Stufe der vorbereitenden Untersuchungen“, und diese seinen „frühestens im Sommer 2019 abgeschlossen“.

Irene Landgraf, Kleingärtnerin

„Die AfD findet hier viele Frustrierte“

Die „konkreten Betroffenheiten“ würden erst danach ermittelt.

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