Kommentar NPDler aus Haft entlassen: Symptom des Richtermangels

Ein NPD-Politiker, der ein Asylbewerberheim angezündet haben soll, musste aus der U-Haft entlassen werden. Das hätte man vermeiden können.

Ein Mann wird von einem Polizisten kontrolliert

Maik Schneider durfte vorerst gehen. Sein Fall ist kein Einzelfall Foto: dpa

Maik Schneider ist am Mittwoch zu seinem Prozess erschienen – obwohl er in der Woche zuvor aus seiner U-Haft entlassen worden war. Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg hatte die U-Haft beendet, weil sie schon über drei Jahre andauerte und der Prozess nicht genug beschleunigt worden war.

Das OLG nahm damit zwar die Gefahr in Kauf, dass der NPD-Politiker, der ein Asylheim im brandenburgischen Nauen angezündet haben soll, vor der Urteilsverkündung untertaucht. Eine Strafe hat es Schneider damit aber nicht erlassen. Im Falle einer Verurteilung muss er eben länger sitzen.

Der Fall Maik Schneider ist allerdings kein Einzelfall. Immer wieder kommen Angeklagte wegen überlanger U-Haft zunächst auf freien Fuß. Ursache ist meist eine Mischung aus allgemeiner Überlastung der Justiz und vermeidbaren Verzögerungen durch das jeweils zuständige Gericht. Das OLG Brandenburg will seine Gründe im Fall Schneider erst in der kommenden Woche veröffentlichen.

Aber natürlich hat der Fall schon jetzt eine Diskussion über die Überlastung der Justiz in Brandenburg ausgelöst. Dafür sorgen schon die Richterverbände und die Opposition. Und man kann vermuten, dass auch die Richter des Oberlandesgerichts selbst nicht unglücklich sind, wenn ihre Entscheidung den Ruf nach mehr Richterstellen laut werden lässt.

„Pakt für den Rechtsstaat“

Dass bundesweit 2.000 Stellen für Richter und Staatsanwälte fehlen, ist allgemein anerkannt. CDU/CSU und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag deshalb versprochen, mit den Ländern einen „Pakt für den Rechtsstaat“ zu schließen, der ebendiese 2.000 zusätzlichen Stellen für Richter- und Staatsanwälte vorsieht. In der kommenden Woche soll bei einem gemeinsamen Gipfel von Kanzlerin und Ministerpräsidenten verhandelt werden, wer dafür letztlich die Kosten tragen wird.

Entscheidungen wie im Fall Maik Schneider liefern die Begleitmusik zu diesen Verhandlungen. Brandenburgs Justizminister Stefan Ludwig (Linke) musste sich jetzt im Landtag zwar unangenehmen Fragen stellen. Doch selbst er hat ein Interesse an der Empörung, weil sie vielleicht auch die Zahlungsbereitschaft der Bundespolitik erhöht.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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