Kolumne Wir retten die Welt: Nicht besser als Japans Walfänger

Für den Walfang in Japan gibt es keinen vernünftigen Grund. Auch unsere eigene Lebensweise beruht mehr auf Gefühlen als auf Vernunft.

Männer auf dem Meer ziehen einen toten Wal auf ein Schiff.

Wale werden in Japan vor allem wegen der Jobs und Subventionen gefangen – essen will sie kaum jemand Foto: ap

Leider esse ich kein Sushi. Nicht, dass mir nach rohem Thunfisch wäre. Aber vor ein paar Tagen hätte ich gern irgendetwas Japanisches gehabt, um es zu boykottieren. Die Regierung in Tokio hatte nämlich verkündet, die internationale Walfangkommission IWC zu verlassen, um wieder ganz offiziell Wale töten zu können.

Ein Skandal, denn an vernunftbegabten, sozial ausgerichteten Säugetieren herrscht auf dieser Welt akuter Mangel. Noch schlimmer aber ist, dass es für den Walfang offenbar keinen vernünftigen Grund gibt. Das Fleisch will auch in Japan kaum jemand essen. Die „wissenschaftliche Erforschung“ als Jagdgrund war schon immer ein zynischer Witz. Es geht vor allem darum, Jobs und Subventionen zu erhalten.

Irre, oder? Das ist ja so, als würden wir in Deutschland für Strom, den keiner braucht, das Klima ruinieren und zweistellige Milliardensummen ausgeben – und das nur für ein paar Tausend Jobs in der Kohle. Natürlich ist es richtig, den Strukturwandel abzufedern. Aber gerade die Braunkohle hatte schon immer ihre eigene verquere Logik: die Heimat abzubaggern, um die Heimat zu erhalten.

Den größten Unsinn machen wir, weil wir ihn immer schon gemacht haben. Wir fahren mit dem Auto in die Stadt, auch wenn es per Rad oder zu Fuß schneller ginge. Wir kaufen so viele Lebensmittel, dass wir jeden Monat pro Kopf knapp 5 Kilo wegschmeißen. Wir ziehen Billigklamotten an, die auf lange Sicht teuer für alle werden, wir verseuchen unsere Böden durch Gülle und züchten uns durch zu viele Antibiotika in der Tiermast resistente Keime an den Hals. Und wir nutzen Luft und Wasser als kostenlose Deponie für unsere Schadstoffe.

Gefühle statt Objektivität

Vernunft ist da beim Homo sapiens kaum zu erkennen. Auch wenn uns Wirtschafts„weise“ vorgaukeln, die Kapitäne des Kapitalismus entschieden objektiv – das ist Blödsinn. Unsere Art zu produzieren und zu konsumieren richtet sich viel mehr nach Gefühlen, Traditionen und falschen Entscheidungen in der Vergangenheit als nach dem, was wir heute und in Zukunft wirklich wollen und brauchen.

Wie zurechnungsfähig ist bitteschön eine Wirtschafts„wissenschaft“, die akzeptiert, dass unsere Ökonomie ihre eigenen Grundlagen zerstört? Die weiter so tut, als seien die Ressourcen da draußen unerschöpflich?

Die „marktwirtschaftliche Logik“ ist unlogisch, wenn unser Wirtschaftssystem seine Kosten nicht selbst trägt, sondern der Umwelt und der Nachwelt in Rechnung stellt. Erst wenn es etwa einen ordentlichen Preis für alle CO2-Emissionen gibt, dürfte man wieder einen Öko(nomie)-Nobelpreis vergeben.

Bis dahin sollte uns klar sein, dass wir zumindest in der Öko(logie)-Abteilung unserer unsozialen Marktwirtschaft auch nicht viel Besseres anrichten als die japanischen Walfänger: eine blutige Sauerei, die sehr wenigen nützt, aber sehr vielen schadet.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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