Keine Ausnahme für Autisten: Chat statt Verhandlung unzulässig

Das Bundesverfassungsgericht lehnt die Klage eines Autisten ab. Er fühlte sich von mündlicher Kommunikation vor Gericht überfordert.

Ein Teil des Gebäudes des Bundesverfassungsgerichts

Die Verfassungsrichter haben entschieden: Anwesenheit bei Gerichtsprozessen ist Pflicht Foto: dpa

FREIBURG taz | Ein Autist kann nicht verlangen, dass ein Gerichtsprozess wie ein Internetchat geführt wird. Das entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss.

Konkret ging es um einen 42-jährigen Mann aus Sachsen. Gutachter bescheinigten ihm Autismus in Form des Asperger-Syndroms. Seine Integration in den Arbeitsmarkt und das öffentliche Leben seien „hochgradig“ beeinträchtigt. Die Behörden stuften den „Grad der Behinderung“ daraufhin auf 70 Prozent ein. Der Mann klagte auf einen höheren Grad.

An der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen wollte der Mann jedoch nicht teilnehmen, weil ihn eine derartige Situation überfordere. Stattdessen schlug er vor, das Verfahren über Wochen hinweg per Computer zu führen, wie in einem Onlineforum. Das LSG bot ihm daraufhin an, dass er in der Verhandlung nicht reden müsse, sondern seine Beiträge in den Laptop tippen könne. Auch das lehnte der Mann ab.

In seiner Verfassungsbeschwerde berief sich der Autist auf die grundgesetzliche Garantie: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Auch die UN-Behindertenrechts-Konvention garantiere einen „wirksamen Zugang zur Justiz“.

Das Bundesverfassungsgericht lehnte die Klage nun aber in einer mit drei Richtern besetzten Kammer ab. Ein rechtsstaatliches Verfahren verlange grundsätzlich eine durch die mündliche Verhandlung geschaffene Transparenz. Diese könne nicht durch einen Onlinechat ersetzt werden. Außerdem seien die personellen Ressourcen der Justiz so einzusetzen, dass möglichst viele Verfahren zeitsparend und rechtsstaatlich behandelt und entschieden werden.

Der Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe sei nicht verletzt, so Karlsruhe, denn der Kläger hätte sich vor Gericht durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen können. Auch hätte er einen Beistand zu seiner Unterstützung mitbringen dürfen. Das Gericht hätte zudem Pausen einlegen können, damit sich der Kläger auf seine Beiträge hätte vorbereiten können.

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