Kommentar Entwicklung bei Ökostrom: Kein Grund, sich zurückzulehnen

Über 40 Prozent des verbrauchten Stroms kamen 2018 aus Erneuerbaren. Davon sollte man sich nicht blenden lassen. Braunkohle wird nicht verdrängt.

eine nächtliche Straße, gesäumt von grünen Bäumen und elektrisch erleuchtet

Stromverbrauch wird grüner – wirklich? Foto: Unsplash/ Alex Knight

Die jüngsten Zahlen zum Strommix sehen auf den ersten Blick nicht schlecht aus. Der Anteil der Erneuerbaren ist im Jahr 2018 um weitere 2,2 Prozentpunkte gestiegen, damit kommen jetzt über 40 Prozent des verbrauchten Stroms aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasser. Doch auch wenn die neuen Werte den Eindruck erwecken, dass Deutschland auf einem guten Weg ist, zumindest im Stromsektor seine gesteckten Ziele zu erreichen, gibt es keinen Grund, sich zurückzulehnen.

Denn zum einen beruht der Zuwachs zu einem erheblichen Teil auf dem Wetter. Zwar hat auch der Neubau von Solaranlagen erstmals seit fünf Jahren wieder deutlich zugenommen, doch den größeren Anteil am stark gewachsenen Solarstrom hatte der ungewöhnlich sonnenreiche Sommer. Bei der Windkraft gab es dagegen eine gefährliche Trendumkehr: Die Gesamtleistung der neu installierten Windräder war 2018 nur halb so hoch wie 2017.

Hier muss die Politik dringend gegensteuern: die Länder, indem sie die Ausweisung von Windparkflächen erleichtern, statt sie weiter zu beschränken, und der Bund, indem er die ausgeschriebenen Mengen neuer Ökostrom­anlagen endlich an die Klimaziele anpasst. Dass es im Wirtschaftsministerium zehn Monate nach der Regierungsbildung noch immer keinen verbeamteten Staatssekretär für Energie gibt, ist dabei nicht hilfreich.

Dass es im Wirtschaftsministerium zehn Monate nach der Regierungsbildung noch immer keinen verbeamteten Staatssekretär für Energie gibt, ist nicht hilfreich

Zum anderen täuschen die erfreulichen Zahlen darüber hinweg, dass der zusätzliche Ökostrom nach wie vor nicht die richtigen Kraftwerke verdrängt. Die besonders klimaschädliche Stromerzeugung aus Braunkohle sank 2018 nur minimal um 2 Prozent, bei der etwas weniger schädlichen Steinkohle waren es 7 Prozent, beim klimafreundlicheren, aber deutlich teureren Erdgas hingegen fast 20 Prozent.

Um das zu ändern, muss die Regierung dafür sorgen, dass der Ausstoß des Treibhausgases CO2 endlich so teuer wird, dass der Preisvorteil der dreckigen Kohle verschwindet – oder auf andere Weise beim Kohleausstieg endlich Fakten schaffen. Erst dann wird der zunehmende Ökostrom zu einem echten Erfolg für den Klimaschutz.

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Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

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