Frauenversteher für Unternehmen

Verbraucherinnen werden komplett ignoriert, meint Diana Jaffé. Die Marketingberaterin will Unternehmern helfen, weibliche Märkte zu erschließen. Denn sonst gehen den Anbietern die Kundinnen flöten. Mit Feminismus hat das nichts zu tun

VON TANIA GREINER

Unternehmer reden häufig „vom Kunden“. Lange musste sich Diana Jaffé das anhören. Wie machen wir „den Kunden“ auf unser neues Produkt aufmerksam? Wie reagiert „der Kunde“ darauf? Immer stieß es ihr auf. Über Jahre hinweg war sie in Marketingabteilungen größerer Unternehmen tätig. Konnte mitverfolgen, wie „irgendwelche Entscheider von nebulösen Kunden“ sprachen. „Selbst dann, wenn es Kundinnen waren“, sagt die Marketingberaterin mit deutlichem Unverständnis in der festen Stimme.

Redegewandt ist die kräftige Frau mit dunklem, kinnlangem Haar, das eng an ihrem Kopf liegt. Augenscheinlich gewohnt, sich zu verkaufen. Produkte präsentieren, viel reden und überzeugen gehören zum Arbeitsalltag. Seit vier Jahren leitet die Betriebswirtin in Berlin eine eigene Agentur, die Bluestone AG. Lange habe sie den Gedanken, im Bereich Gender-Marketing zu beraten, mit sich herumgetragen. „Es hat bei mir gedauert, bis ich die Idee verdaut hatte.“ Erst seit knapp zwei Jahren habe Bluestone das Thema „auf dem Fokus“ und daraus „ein eigenes Produkt“ gemacht, erläutert die Werbeexpertin im branchenüblichen Slang. Das lange, für sie ungewöhnliche Zögern kann sich die 36-Jährige nur so erklären: „Geschlechtsspezifisches Marketing ist im Standarddenken der Unternehmensführung völlig abwegig.“ Wer aber „eine starke Position am Markt“ haben wolle, für den könne das der entscheidende Entwicklungsfaktor sein. Davon ist Jaffé fest überzeugt.

Warum das so ist, hat sie in ihrem Buch „Der Kunde ist weiblich“ niedergeschrieben. Die These: Die Macht der Konsumentinnen wird in den kommenden Jahren rasant ansteigen. „Wir haben seit Anfang der 80er-Jahre eine ganz neue Käuferschicht“, erläutert die Autorin. Frauen seien „erwachsen geworden“, entschieden immer mehr über Anschaffungen und Investitionen – mit dem eigenen Geld. „Frauen kaufen nicht nur Lebensmittel, sondern Computer, Handys, Autos oder Kühlschränke.“ Amerikanischen Erhebungen zufolge würden 80 Prozent aller Kaufentscheidungen privater Haushalte von Frauen getroffen. In Deutschland fehlen bislang entsprechende Studien. Jaffé schätzt die Situation hierzulande ähnlich ein.

„Das ist Fakt“, unterstreicht sie und schiebt nach: „Bemerkenswert ist, dass 90 Prozent der neu eingeführten Alltagsprodukte innerhalb kurzer Zeit floppen.“ Klarer Fall für Jaffé: Die „Produkte am Markt“ entsprechen nicht den Bedürfnissen der Verbraucherinnen: Mobiltelefone mit überflüssigen Zusatzfunktionen, verkehrsunsichere Kleinwagen oder Einmachgläser mit Durchmessern wie für Männerhände gemacht. Von Unternehmern mit Beharrlichkeit ignoriert, weil dort überwiegend Männer in Entscheiderpositionen säßen. „Denen fehlt das Verständnis in diese Richtung.“

Mit Seminaren, Workshops und geschlechtsspezifischen Marketingkonzepten will die Bluestone AG die Unternehmen umkrempeln. „Frauenversteher“ für die Wirtschaft bilden Diana Jaffé und ihr Beraterteam aus. „Wir stützen unsere Arbeit auf medizinische Erkenntnisse aus der Hirnforschung und aus der Evolutionsbiologie“, erklärt die Werbefachfrau. Im Marketing sei dieser Aspekt bislang vergessen geblieben. „Männer haben kein Problem mit Orientierung und Weitsicht, Frauen sind besser in der Nahsicht.“ Harmlos klingt das. Bei genauem Nachlesen, gewinnt es an Bedrohlichkeit. Wenn Frauen, von Hormonen regiert, Autos mit Kulleraugen-Scheinwerfern nicht widerstehen können, weil sie Muttergefühle entwickeln. Frauen als Konsumsklavinnen, die sich ihrem natürlichen Instinkt nicht widersetzen können.

„Wir haben die Bedürfnisse der Verbraucherinnen im Fokus“, sagt Jaffé wieder. Also nur das Beste für die Kundin? Ja, beteuert sie. Dafür braucht es Frauenversteher. Logischerweise sind die weiblichen Geschlechts. Gerne denken wir weiter: Mehr Frauen in Entscheiderpositionen, um neue, weibliche Märkte zu erschließen. Emanzipation im Dienste von Konsum und freier Marktwirtschaft. So weit will die Marketingexpertin aber doch nicht gehen. „Frauen werden niemals 50 Prozent der Chefetagen einnehmen. Denn für Frauen sind noch ganz andere Themen mit dem Job verbunden.“ Dennoch täte jedem Unternehmen ein struktureller Wandel sicherlich gut. „Dem Auftreten am Markt würde das wohl bekommen.“

Schaden kann es nicht. Es muss aber auch nicht unbedingt sein, findet die Werbefrau. Die Bedürfnisse der Kundinnen lassen sich auch anders ergründen. Diana Jaffé nennt sie „Hilfskonstruktionen“. Einer solchen hat sich etwa der Ski- und Snowboard-Hersteller K 2 bei der Entwicklung einer Spezialserie für Frauen bedient. Durchschnittskundinnen wurden in den Entscheidungsprozess mit einbezogen, bestimmten über Konstruktion, Design und Werbung. Solche Konzepte findet Jaffé gut. Mit ihren Mitarbeitern will sie dafür sorgen, dass Unternehmen stärker in diese Richtung gehen. Auf die Frage, ob sie auch feministische Beweggründe hege, verneint sie entschieden. Jaffé kennt ihre Branche gut. Feminismus ist da nicht werbewirksam.

„Ich wünsche mir wehrhafte Verbraucherinnen“, sagt sie. Und gibt allen Frauen einen Tipp auf den Weg. „Frauen haben viel mehr Macht, als ihnen tatsächlich bewusst ist.“ Das klingt gut und werbewirksam ist es auch.