Rechte Polizisten-Gang in Hessen: Anwältin erhält zweites „NSU 2.0“-Fax

Seda Başay-Yıldız erhielt ein Drohfax mit Daten, die von einem Polizeicomputer stammten. Nun ging ein zweites Fax ein – wieder mit Absender „NSU 2.0“.

Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız im Porträt

Erhält Drohungen von Rechtsextremen: Seda Başay-Yıldız Foto: dpa

BERLIN taz | Es war ein Fax an die Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yıldız – mit wüsten Drohungen und unterzeichnet mit „NSU 2.0“ – das zu einem hessischen Polizeiskandal führte. Denn das Schreiben enthielt auch persönliche Daten von Başay-Yıldız, die kurz vor Versand von einem Polizeicomputer abgerufen wurden. Nun wird bekannt: Die Anwältin bekam inzwischen noch ein zweites Drohfax. Wieder unterzeichnet mit „NSU 2.0“, wieder mit persönlichen Daten.

Sie gehe davon aus, dass auch diese Daten aus einem Polizeicomputer stammen, sagte Başay-Yıldız der taz. „Dir hirntoten Scheißdöner ist offensichtlich nicht bewusst, was du unseren Polizeikollegen angetan hast!“, heißt es in dem neuen Fax. „Allerdings kommt es jetzt richtig dicke für dich, du Türkensau!“

Genannt werden die Namen von Başay-Yıldız' zweijähriger Tochter, ihres Mannes, ihrer Mutter und ihres Vaters. Der Tochter „reißen wir den Kopf ab“, schreibt der Absender. „Und der Rest eurer Dönercrew wird ebenfalls kompetent betreut werden.“ Unterzeichnet wird mit „NSU 2.0“. Die Süddeutsche hatte zuerst über das neue Drohschreiben berichtet.

Schon im August 2018 hatte Başay-Yıldız ein Drohfax mit dem Absender „NSU 2.0“ erhalten. „Verpiss dich lieber, solange du hier noch lebend rauskommst, du Schwein“, hieß es damals. Als „Vergeltung“ werde man Başay-Yıldız‘ Tochter „schlachten“. Der Name der Tochter wurde ausgeführt, genau wie die Privatadresse der Anwältin – beides war nicht öffentlich bekannt.

Ermittler stellten daraufhin fest, dass kurz vor Versand des Faxes Başay-Yıldız' Melderegister-Einträge auf einem Computer im 1. Polizeirevier Frankfurt/Main abgerufen worden waren, ohne dienstlichen Anlass. Ermittelt wird bis heute, ob das Schreiben womöglich direkt von Revierpolizisten verschickt wurde – oder ob die Meldedaten an einen Unbekannten weitergegeben wurden.

Die Faxe sind offenbar nicht zurückzuverfolgen

Bekannt wurde der Vorgang indes erst Mitte Dezember – und führte zu bundesweiten Schlagzeilen. Auch weil bei den Ermittlungen noch eine rechtsextreme Whatsapp-Gruppe von Polizisten aus dem Frankfurter Revier entdeckt wurde. Verdächtigt sind vier Beamte und eine Beamtin. Sie schweigen zu den Vorwürfen und sind inzwischen suspendiert.

Nach taz-Informationen ging das neue Drohfax an Başay-Yıldız am 20. Dezember ein – einen Tag nach einer Sondersitzung des hessischen Innenausschusses zu dem Polizeiskandal. Başay-Yıldız sagte der taz, die diesmal aufgeführten Namen ihres Mannes und ihrer Eltern müssten ebenfalls aus den Polizeidaten stammen. Mit allen Personen wohne sie zusammen, sie seien auf ihre Adresse gemeldet. Anders als über die Polizei seien die Namen kaum zu recherchieren, so die Anwältin. „Mein Vater ist 79, der nutzt kein Social Media oder Ähnliches. Es kann keinen anderen Weg geben, als den Polizeicomputer.“

Bisher gelang es Polizei und Staatsanwaltschaft nicht, den Absender der Drohschreiben zu ermitteln. Offenbar sind die Faxe nicht zurückzuverfolgen. Polizei und Staatsanwaltschaft äußerten sich zu dem Fall zuletzt nicht – wegen der laufenden Ermittlungen.

Başay-Yıldız steht schon länger im Fokus von Rechtsextremen. Im NSU-Prozess vertrat sie als Nebenklageanwältin die Familie eines Mordopfers. Später verteidigte sie den Islamisten Sami A., der beschuldigt wurde, Leibwächter von Osama bin Laden gewesen zu sein und im Sommer von NRW nach Tunesien abgeschoben wurde – zu Unrecht, wie Gerichte feststellten. Kurz nach diesem Fall bekam Başay-Yıldız das erste „NSU 2.0“-Fax.

Nun folgte das zweite. Jetzt mit Bezug auf die Ermittlungen gegen die Polizisten, und erneuten Gewaltandrohungen. Başay-Yıldız nimmt das ernst: „Die Person will mir im neuen Schreiben sagen, dass sie alles über mich weiß.“

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