Kohleausstieg 2038: Kein Knaller fürs Klima

Der Kompromiss verfehlt die Ziele des Pariser Abkommens, sagen Experten. Deutschland müsste seine Anstrengungen nochmals steigern.

Graues Gebäude mit Emission

Und alle 2038 so: „Huch, so schrecklich sahen Braunkohlekraftwerke aus?“ Foto: dpa

Für Ronald Pofalla, den Chef der „Kohlekommission“, ist das Ergebnis nicht nur ein „historischer Kraftakt“, sondern auch ein guter Kompromiss. Der Vorschlag der Kommission, so Pofalla am Samstagmorgen, sichere Arbeitsplätze, eine bezahlbare Energieversorgung und „nachhaltigen Klimaschutz“. Am letzten Punkt aber zweifeln Klimaexperten und Ökonomen. Denn diese Pläne zum deutschen Kohleausstieg reichen nach ihren Analysen nicht für Deutschlands Anteil am 1,5-Grad-Ziel und organisieren den Ausstieg zu langsam.

Der deutsche Kohleausstiegsplan verfehlt die Anforderungen des Pariser Abkommens“, twitterte der Thinktank Climate Analytics, der die Leistungen der Staaten beim Klimaschutz misst und bewertet. Denn wenn Deutschland, immerhin weltweit sechstgrößter Verschmutzer bei CO2-Emissionen, helfen wolle, den Klimawandel bis 2100 auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, müssten die Kohlemeiler schon bis 2030 stillgelegt werden.

Einen „gefährlichen Präzedenzfall“ sieht Climate Analytics darin, dass der Ausstieg bis 2038 Zeit hat. Deutschland sei damit unter den EU-Staaten isoliert, die bislang das Kohle-Aus verkündet haben – und könnte Ländern wie Polen als Rechtfertigung dienen, am dreckigen Brennstoff festzuhalten. Unter den Aussteigern sind Belgien und Frankreich (2020), die allerdings deutlich weniger auf Kohle angewiesen sind als Deutschland. Immerhin hat aber auch Großbritannien den Ausstieg bis 2025 verkündet.

Auch andere Experten äußern Zweifel. So könnten sich andere Länder kaum 40 Milliarden Euro an Strukturhilfen und Entschädigungen für den Ausstieg leisten, moniert Brigitte Knopf vom Mercator Institut MCC. So richtig Staatsgeld für Regionen und Arme sei, so „fragwürdig“ seien Entschädigungen für Unternehmen, sagt etwa Niklas Höhne vom New­Climate Institute. Die Analysten von Carbon Tracker wiederum weisen darauf hin, dass die deutsche Volkswirtschaft bis zu 12 Milliarden Euro sparen könnte, wenn das Kohle-Aus bis 2030 käme. Denn bereits 2018 hätten 44 Prozent der deutschen Kohlekapazität Verluste geschrieben, meint Sebastian Ljungwaldh. „Alle deutschen Kohlekraftwerke werden bis 2030 wegen steigender Preise für CO2-Zertifikate und Umweltauflagen nicht mehr rentabel sein.“

Koalition will Rahmengesetz für Klimaschutz vorlegen

Der Kompromiss der Kohlekommission erhöht auch den Druck auf die anderen Ressorts in der Bundesregierung, endlich effektive Pläne zum Klimaschutz vorzulegen. Denn in diesem Jahr will die Koalition ein „Klimaschutzgesetz“ vorlegen. In einem Rahmengesetz sollen dafür die Klimaziele für die Sektoren Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft festgeschrieben werden, die sich am „Klimaschutzplan 2050“ orientieren.

Ein Ausstieg bis 2030 könnte Deutschland 12 Milliarden Euro sparen, meinen Analysten

Mit dem Kommissionsbericht liegt nun ein Vorschlag für die Energiewirtschaft auf dem Tisch, wie ihr Ziel (minus 61 bis 62 Prozent gegenüber 1990) bis 2030 zu schaffen wäre. Bisher hat nur das Agrarministerium ein Konzept vorgelegt, das allerdings noch verbessert werden muss. Für die Bereiche Industrie (Vorgabe: minus 51 bis 49 Prozent), Gebäude (minus 67 bis 66 Prozent) und Verkehr (minus 42 bis 40 Prozent) haben die Ressorts noch nichts geliefert, auch wenn Ende 2018 eigentlich Abgabeschluss war.

Manche Ressorts hatten gehofft, wenn die Energiewirtschaft mehr liefere, hätten sie selbst mehr Luft und müssten keine zu ehrgeizigen Pläne machen. Diese Hoffnung ist nun verpufft. Deshalb soll das Rahmengesetz zum Klimaschutz auch regeln, wer die Strafzahlungen aufzubringen hat, wenn die Klimaziele verfehlt werden. Denn gerade etwa im Verkehr, wo es seit 1990 sogar eine Steigerung der Emissionen gab, drohen ab 2021 Strafzahlungen an die EU, wenn die Klimaziele verfehlt werden. Geht es nach dem Umweltministerium, soll dafür das Verkehrsressort aufkommen.

Aber selbst wenn die Bundesregierung diese ehrgeizigen Ziele aus dem Klimaschutzplan erreicht, führt das 2030 zu 55 Prozent weniger CO2-Emissionen. Das allein wäre eine Kraftanstrengung der deutschen Volkswirtschaft – aber immer noch nicht genug. Denn der Plan beruht auf EU-Zielen zum Klimaschutz, die nur auf ein Klimaziel von 2 Grad zielen. Um 1,5 Grad anzupeilen, wie im Pariser Abkommen vereinbart, müssen alle Staaten beim Klimaschutz ihre Anstrengungen noch einmal steigern. Auch Deutschland.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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