Investitionen in die Zukunft: Das geht an Euch!

Immer mehr Kinder und Jugendliche in Berlin, doch an der Jugendarbeit wird brutal gespart. Ein bundesweit einmaliges Gesetz soll das ändern.

Wegweiser in ein Jugendzentrum

Mehr Geld für bessere Jugendarbeit soll das neue Gesetz bringen Foto: dpa

Kinder und Jugendliche dieser Stadt, von 6 bis 20, dies ist ein Gesetz nur für euch. Eine halbe Million seid ihr fast, Tendenz steigend. Bislang saß das Geld für euch nicht gerade locker, Sparkurs war angesagt, das soll sich nun ändern. Am Dienstag hat Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) ihren Entwurf für ein neues Jugendfördergesetz der Landesregierung vorgelegt. Damit soll ein seit Jahren andauernder Abwärtstrend gestoppt werden. Darauf habt ihr nämlich ein Recht!

Nicht weniger als ein „bundesweiter Meilenstein“ sei dieses Gesetz. Der ältere Herr, der das sagt, muss es wissen. Reinhard Wiesner hat 40 Jahre im Bundesfamilienministerium gearbeitet und gilt als der Vater des Sozialgesetzbuches VIII. Darin steht seit fast 30 Jahren: „Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen.“

Die Bundesländer müssen das umsetzen. Laut Statistischem Landesamt ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen in Berlin seit 2008 um 10 Prozent gestiegen. Im selben Zeitraum sind die Mittel für die Jugendarbeit aber laut Jugendverwaltung um 10 Prozent auf 85 Millionen im Jahr gesunken. Und von diesem Geld, das das Land den Bezirken zur Verfügung stellt, sei noch nicht einmal alles tatsächlich für die Jugendarbeit verwendet worden, klagt Senatorin Scheeres.

Immer wieder habe sie mit den Bezirken verhandelt – ohne Erfolg. Die Bezirke mit ihren chronisch klammen Kassen wollten sich nicht reinreden lassen, was bei ihnen gerade am wichtigsten sei. „Die Jugendarbeit steht bei vielen Bezirken jedenfalls überhaupt nicht im Fokus“, sagt Scheeres, die vor ihrem Job als Senatorin selbst einmal in der Jugendarbeit tätig war.

10.000 Kinder und Jugendliche befragt

Nun soll es also das „Jugendförder- und Beteiligungsgesetz“ richten. Das sei einmalig in der Bundesrepublik, sagt Rechtsexperte Wiesner, der ein Gutachten verfasst hat, wie aus bisher hohlen Worten gesetzlich verankerte Ansprüche werden. Außerdem hatte die Jugendverwaltung parallel zur U18-Wahl im Jahr 2017 fast 10.000 von euch befragt, was ihr euch denn in Sachen Jugendarbeit wünscht. Das Ergebnis im Wesentlichen: ein vielfältiges Angebot von Veranstaltungen über Treffpunkte mit langen Öffnungszeiten und guter technischer Ausstattung bis zu Begegnungen mit Jugendlichen aus anderen Ländern.

Was steht nun also in dem neuen Gesetz? Der wesentlichste Punkt ist, dass sich die Mittel für die Jugendarbeit künftig daran orientieren, wie viele von euch im jeweiligen Bezirk wohnen. Für einen Bezirk mit mehr Kindern und Jugendlichen gibt es dann – eigentlich logisch – auch mehr Geld. Eurem Alter entsprechende Angebote sollt ihr bekommen, für die das Gesetz fachliche Standards festlegt. Konnte bisher hauptsächlich der klassische Jugendklub als Angebot abgerechnet werden, sieht das neue Gesetz ausdrücklich auch Festivals, Rock- und HipHop-Mobile, Erholungsfahrten und internationale Begegnungen, Jugendseminare sowie selbstverwaltete Projekte – denkt an das aktuell bedrohte Schöneberger Jugendzentrum Potse – vor.

Das Geld für euch Jugendliche saß nicht gerade locker, das soll sich nun ändern

Und auch die Phrase im Sozialgesetzbuch VIII, dass die Angebote an die Jugendlichen „von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden“ sollen, wird mit Leben gefüllt. Das Gesetz sieht Jugendförderpläne vor, in denen die bestehenden Angebote alle vier Jahre und unter eurer Beteiligung auf den Prüfstand kommen. Außerdem können sich diejenigen von euch, die sich selbst ehrenamtlich in der Jugendarbeit engagieren, künftig bis zu zwölf Tage vom Arbeitgeber freistellen lassen.

In den Jahren 2020 bis 2023 sollen die Bezirke 25 Millionen Euro mehr zur Verfügung haben für die Jugendarbeit – sonst würden sie dem neuen Gesetz wohl auch nicht zustimmen. Sie müssen das Geld dann aber auch genau dafür verwenden. Und wenn ihr noch mehr werdet, dann steigt automatisch auch der Etat für die Jugendarbeit. Ohne dass wie bisher um jede Erhöhung mit dem Finanzsenator gefeilscht werden muss.

Wo sollen Bands proben?!

„Dieses Gesetz ist mehr als eine Hoffnung“, sagt Tilmann Weickmann, der als Geschäftsführer des Landesjugendrings, eines Zusammenschlusses der Berliner Jugendverbände, an der Erarbeitung beteiligt war. Euer gesetzliches Recht auf Jugendarbeit sei dann nicht mehr abhängig vom Bezirk, in dem ihr zufällig wohnt. Auch Elvira Berndt, Vorsitzende des Landesjugendhilfeausschuss, ist Fan des Entwurfs: „Es gibt seit Jahren eine Debatte über die Entwicklung der Jugendlichen in dieser Gesellschaft, aber die Angebote für sie wurden brutal zusammengekürzt.“ Wo sollten jugendliche Bands proben, wo sollt ihr Mitbestimmung und Selbstverwaltung lernen, wenn nicht in Einrichtungen, die sich speziell an euch richten? „Viele Erwachsene haben wohl vergessen, dass sie das alles nicht unbedingt in der Schule oder zu Hause mitbekommen haben“, sagt Berndt.

Die SenatorInnen für Wirtschaft, Finanzen und Justiz haben den Entwurf schon durchgewunken. Nun beraten der Senat und dann die Bürgermeister der Bezirke darüber, bevor die neuen Regelungen endgültig vom Landesparlament verabschiedet und umgesetzt werden. Dauert also noch einige Monate, bis sich für euch wirklich was ändert. „Es wird aber höchste Zeit, bevor sich gar keiner mehr erinnert, was es an toller Jugendarbeit in dieser Stadt mal gab“, sagt Berndt.

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