Tanz dein Zuhause!

TANZ Das Kulturprojekt „zuhause.anderswo“ endet mit einem zehntägigen Festival und präsentiert einen Abend mit zwei interkulturellen Tanzstücken in der Schwankhalle

■ „The House That Never Walked“/„Homescapes“: am 23. und 26.–29. September jeweils um 20 Uhr in der Schwankhalle.

■ Am heutigen Samstag ist um 20 Uhr ein internationales Künstlerensemble mit einer Video-, Tanz- und Perkussionsperformance im Wasserturm zu sehen.

■ Am Sonntag beginnt um 18 Uhr mit einer Vernissage die Ausstellung „Exkoriation“ in der Galerie Dechanatstraße.

■ Weitere Informationen zum Festivalprogramm auf: www.zuhauseanderswo.com

VON JENS LALOIRE

In der Fremde entwickeln wir manchmal eine Sehnsucht nach einem vertrauten Ort, der erst im Blick zurück zu unserer Heimat wird. Wo genau wir unsere Heimat oder unser Zuhause verorten, dieser Frage widmet sich das bremenübergreifende Kulturprojekt „zuhause.anderswo“. Begonnen hat das Projekt bereits im April mit der multimedialen Wanderinstallation „Zon-Mai“, die für vier Wochen im Postamt 5 zu Gast war und sich mit Fragen des Andersseins sowie der Identität auseinandersetzte.

„Zon-Mai“ bildete in Bremen den Auftakt für eine interkulturelle künstlerische Zusammenarbeit. In Kooperation mit internationalen Partnern aus Frankreich, Portugal und dem Senegal entstanden verschiedene Produktionen aus den Bereichen Tanz, Performance, Musik und bildender Kunst, die jetzt im Rahmen eines zehntägigen Festivals an unterschiedlichen Orten in der Stadt zu entdecken sind.

Am Donnerstag eröffnete das Festival in der Schwankhalle mit zwei Tanzstücken, die im Rahmen des Kulturprojekts entwickelt wurden. Neun Tänzer und Tänzerinnen aus acht verschiedenen Nationen arbeiteten über mehrere Wochen gemeinsam mit zwei Choreografen in der senegalesischen École des Sables und in der Bremer Schwankhalle. Das Resultat sind zwei Produktionen, die – obwohl sie mit dem gleichen Ensemble arbeiten – sehr unterschiedlich sind.

„The House That Never Walked“ des kenianischen Choreografen Opiyo Okach ist ein bunter Szenenmix. Drei Frauen und sechs Männer erforschen mit ihrem Bewegungsvokabular ihre Vorstellungen von einem Zuhause, tanzen ihre Erinnerungen und binden dabei für sie relevante Requisiten ein. Ein Fahrrad, eine Fußmatte oder eine Landkarte dienen als Erinnerungsstücke, die Bewegungsabläufe in Gang setzen. Die Akteure agieren zu Beginn wie Monaden, auf sich allein gestellt, Kontakte ergeben sich kaum oder nur zufällig. Erst mit der Zeit nähern sie sich einander an, begeben sich in romantische oder humorvolle Duette, in denen kulturelle Codes hie und da aufeinanderkrachen oder sich sanft berühren. Gegen Ende steigern sich die Bewegungen der Akteure in eine überdrehte Gruppenchoreografie hinein. Zu einem Nationalhymnen-Medley der verschiedenen Heimatländer entfaltet jeder Tänzer ausschweifend seine eigene Individualität. Das Spektakel mündet in ein Chaos, das erst mit dem Einsetzen einer kongolesischen Rumba ausklingt.

Nach einer kurzen Umbaupause geht es weiter mit „Homescapes“, der Produktion des deutsch-österreichischen Choreografen Helge Letonja. Die Künstler sind nun alle schwarz gekleidet, das Licht ist gedämpft, nur ein Tänzer vibriert mit nacktem Oberkörper im Spotlight, während die anderen mit Fußstampfen einen Rhythmus kreieren. Es folgen zärtlich verspielte Duette, intensive Momente des Kontakts und der Isolation sowie dynamische Gruppenchoreografien, die fließend ineinander übergehen und eine dichte Atmosphäre ohne Längen erzeugen. Die Bewegungen sind gut aufeinander abgestimmt, die Tänzer agieren überzeugend als Ensemble. Die unterschiedlichen Kulturen mit ihrer jeweils eigenen Körpersprache begegnen einander und verschmelzen zu einem Ganzen. Hinzu kommt, dass die Soundcollage des französischen Komponisten Michaël Grébil in „Homescapes“ stark zum Tragen kommt. Naturklänge, metallische Geräusche und elektronische Musik verweben sich zu einem Klangteppich, der dem Geschehen auf der Bühne einen treibenden Soundtrack verleiht.

Insgesamt überzeugen beide Produktionen durch ihre Vielfältigkeit: Afrikanische Tanztraditionen treffen auf zeitgenössische europäische Formen. Die verschiedenen Körpersprachen treten in Austausch und zeigen auf, dass wir unser Zuhause mit uns tragen.

„Mein relevantes Zuhause ist mein Körper“, sagt Helge Letonja, der den Austausch mit der afrikanischen Tanzkultur im Senegal genossen hat. Letztlich sei entscheidend, miteinander in Dialog zu treten.