Kolumne Einfach gesagt: Die Zukunft

Die Jugend von heute steht in der Welt von Insta vor speziellen Problemen. Besser denkt man auch an morgen und daran, was von einem im Netz ist.

Dabei sein ist nicht alles: Doch die Spuren, die man im Netz hinterlässt, bleiben Foto: dpa

„Lass mal am Wochenende nach Chemnitz, Nazis klatschen!“ Vier Jungs um die zwanzig, Typ Jura- oder BWL-Student, waren in Hamburg an der Station Staatsbibliothek in den 4er-Bus zugestiegen und unterhielten sich laut und deutlich.

„Ja, geil, und dann filmen wir das und stellen das bei Insta und so rein.“

„Aber erst machen wir Party mit den Nazis und tun so, als wären wir Kollegen und dann locken wir die in eine dunkle Ecke und hauen die kaputt.“

„Dafür kriegen wir bestimmt richtig viele Likes und dann geht das viral.“

„Yes, endlich passiert mal wieder was und wenn dabei auch noch die Richtigen zu Schaden kommen, lacht nicht nur das Netz, sondern auch das Herz!“

„Lass mal Michi mitnehmen, der kennt sich da aus, der kommt doch da irgendwo aus dem Biotop!“

„Jungs, ganz ehrlich, wir sollten da nochmal drüber nachdenken, wenn das erst mal im Netz ist, verlieren wir in zehn Jahren unsere Managerposten, wenn das jemand sieht.“

„Ja, stimmt, man muss immer dran denken, was man noch erreichen will im Leben. Meine Eltern sind um ein paar Ecken mit Joschka Fischer befreundet und der hat richtig Ärger bekommen, weil er als Student auf der Straße auf die Kacke gehauen hat. Da gab es noch nicht mal Internet und das ist trotzdem rausgekommen.“

„Du hast recht, wir müssen an unsere Zukunft denken, ich will mal Familie haben und einen richtig, richtig großen Garten.“

„Aber dann kannst du doch jetzt nicht schon so ängstlich rumeiern, wenn du das ab dreißig sowieso nur noch machst.“

„Doch, ey, ich bin einfach schlauer als die Jugend von gestern, ich weiß jetzt schon, dass ich mal ganz anders drauf sein werde. Ich lern von meinen Eltern, die waren sich mit Ansage nie treu und darüber streiten die heute noch. Die sind retrospektiv eifersüchtig, obwohl das damals o.k. für die war. Ich hab auf so was keinen Bock, ich bin Anna jetzt auch treu, für den Rest gibt es Pornos.“

„Ja, wenn man mal so ne Süße wie Anna gefunden hat, dann sollte man auf die aufpassen, es gibt so viele Schlampen heutzutage, das Internet hat die Mädels alle total verdorben.“

„Ja, ihr habt recht, man sollte immer wissen, wo die Grenzen sind, und außerdem ist das ja ganz schön riskant, einfach so in den Osten zu fahren, um Nazis zu klatschen, am Ende klatschen die uns. Fünfmal die Woche Training hin oder her, Nazis gehen ja auch ins Fitnessstudio.“

„Stimmt, Alter, das überlassen wir lieber denen von der Antifa, die kennen sich da besser mit aus, die regeln das schon.“

„Ja, die sind voll korrekt, richtig gute Leute, die bereit sind, für ihr Land was zu riskieren.“

„Ey, wir sind voll die Luschen.“

„Nee, sind wir nicht, wir studieren zu Ende, kriegen gute Jobs, machen richtig viel Kohle und dann verändern wir die Welt.“

„Wort drauf!“

„Yes! Das ist sowieso das Einzige, was funktioniert. Nur Geld kann die Welt ändern, also so richtig!“

„Aber du hast doch selber vorhin gesagt, wenn wir erst mal so alt sind wie unsere Eltern, dann kreisen wir nur noch um uns selbst und sind voll spießig.“

„Ja, und wenn schon, dann ist es uns eben egal und dann ist es auch egal.“

„Und was machen wir am Wochenende?“

„Hamburger Berg?“

„O.k.!“

„Mit oder ohne Freundinnen?“

„Ach, lass doch mal ohne, ich hab Bock auf unverkrampft.“

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ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. Alle zwei Wochen verdichtet sie in dieser taz-Kolumne tatsächlich Erlebtes literarisch.

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