Die Wahrheit: Eiscreme mit Schafsmagen

Der Brexit droht, die Schotten sind dicht – und wittern Morgenluft in Sachen Unabhängigkeit. Scexit ante portas.

Die schottische Regierung wittert ihre Chance. Tritt Großbritannien Ende März ohne Deal aus der Europäischen Union aus, steigen die Chancen für Schottlands Unabhängigkeit. Da die Menschen im Norden der britischen Insel gegen den Brexit waren, könnten sie nun für den Scexit stimmen, hofft die regierende Scottish National Party (SNP), die 2014 im ersten Anlauf mit dem Referendum gescheitert war.

Dabei gehören beide Länder zumindest kulinarisch eng zusammen. Bei der Erfindung von Scheußlichkeiten steht es unentschieden. In England gibt es Aal in Aspik, Schottland kontert mit Makkaroni-Auflauf. Das sind Kohlenhydrate in einer Kohlenhydrat-Sauce, umhüllt von einem Kohlenhydrat-Mantel.

Engländer lieben den Friedhof der Fliegen. Das ist ein Rosinenkuchen mit dickem, klebrigem Zuckerguss. Schotten bevorzugen „Well-fired rolls“, also verkohlte Brötchen. In England gibt es Sandwiches, die mit Fischstäbchen oder Kartoffelchips gefüllt sind. Die Schotten garen hingegen alles in der Fritteuse, was hineinpasst – Ostereier oder Marsriegel im Teigmantel zum Beispiel.

Aber es geht noch schlimmer. Den Tory-Abgeordnete Douglas Ross aus Moray im Norden Schottlands schert der Brexit nicht. Er verlangte im Londoner Unterhaus vor zwei Wochen eine Debatte über „einzigartige Lebensmittel“. Als Beispiel nannte er eine Kreation von Sheila Gray, Eigentümerin der Eisdiele Fo­chabers in Moray. Die hatte zu Ehren des schottischen Nationaldichters Robert Burns, der als „kaledonischer Casanova“ galt, eine neue Eiscremesorte erfunden: Vanilleeis mit Whisky, Kartoffelstangen und Haggis.

Häuptling der Würstewelt

Letzteres besteht aus allerlei Innereien, die mit Hafermehl vermischt im Schafsmagen gekocht werden. Burns hat auf diesen kulinarischen Albtraum ein Gedicht verfasst, die „Ode an den Haggis“, die stets zu seinem Geburtstag vorgetragen wird. „Dein feines Gesicht sei von Glück erhellt, du Häuptling in der Würstewelt“, beginnt es. Mag durchaus sein, aber als Eiscreme?

Doch zurück zu Douglas Ross. Der hat im Unterhaus einen seiner Wähler aus Moray zitiert: Charlie Armour habe behauptet, die garstige Haggis-Kaltspeise sei „besser als Sex“. Armour ist 84, vielleicht ist seine Erinnerung etwas verblasst. Dankenswerterweise gab es die gewöhnungsbedürftige Eiscremekreation nur an Robert Burns’ 260. Geburtstag Ende Januar zu erwerben und verköstigen. Wie viel davon verkauft wurde, ist nicht bekannt. Burns hätte jedenfalls seine helle Freude daran, welch kulinarisches Unheil er in Schottland mit seinem albernen Gedicht angerichtet hat.

Die Schotten haben gegenüber den Engländern freilich einen entscheidenden Vorteil: Sie können ihre eigenartigen Speisen mit feinem Whisky hinunterspülen, um den Geschmack zu übertönen. Den Engländern bleibt nur warmes Bier.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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