BeamtInnen in der AfD: Dienstrecht ist geduldig

Niedersachsens Innenminister will bei BeamtInnen, die in rechtsextremistischen AfD-Strukturen sind, genau hinsehen. Überprüfen darf er niemand.

Menschen stehen vor einem wandfüllenden Logo der "Jungen Alternative".

Vielleicht auch der ein oder andere Beamte dabei: Mitglieder der Jungen Alternative unter sich Foto: dpa

HAMBURG taz | Vielleicht war es Wunschdenken, vielleicht Flüchtigkeit, in jedem Fall ist es laut niedersächsischem Innenministerium eine Fehlinterpretation: Anders als in mehreren Medien vermeldet, plant der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) keine Überprüfung von Beamten, die Mitglied in AfD-Unterorganisationen sind, die vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft werden. Das ist die „Junge Alternative“, die Jugendorganisation der AfD, und der sogenannte Flügel, ein Sammelbecken für Radikale innerhalb der AfD.

„Wir sind überrascht über den Spin, der da hineingekommen ist“, sagt die Sprecherin des Innenministeriums, Simone Schelk. Pistorius hatte in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung auf die Frage, ob Polizisten Mitglied in einer vom Verfassungsschutz geprüften AfD-Organisation sein könnten, geantwortet, man müsse „diese Haltung zumindest infrage stellen“. Der nächste Satz lautete: „Auch wenn das zunächst keine unmittelbaren Konsequenzen hätte.“ Von daher bleibt der Vorwurf der niedersächsischen AfD, Boris Pistorius betreibe eine Angstkampagne gegen die Partei, bei genauerer Lesart des Interviews eher blass.

Das vom Innenminister formulierte Infragestellen bedeutet nicht eine regelhafte Prüfung. Zumal nicht, so sagt Simone Schelk, solange es keine bestandskräftige Einstufung der Parteistrukturen als verfassungsfeindlich gibt. Bislang ist die Junge Alternative in Niedersachsen lediglich unter Beobachtung gestellt.

Und selbst die Mitgliedschaft in einer als verfassungsfeindlich eingestuften Partei ist nicht automatisch Grund für eine Suspendierung von BeamtInnen. Es müsse darüber hinaus ein „aktives Unterstützen“ vorliegen, heißt es aus dem Innenministerium, „das den Fortbestand der Organisation sichert“, etwa ein Funktionärsamt oder eine Wahlkandidatur.

Seit Januar 2019 wird die AfD bundesweit vom Verfassungsschutz als „Prüffall“ behandelt.

Die Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) und der rechtsnationale „Flügel“ gelten beim Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“.

Beim Verdachtsfall ist im begrenzten Umfang der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel möglich.

In Niedersachsen und Bremen wurden die jeweiligen Landesverbände der JA seit September 2018 beobachtet.

Der Landesverband der JA in Niedersachsen ist von der AfD im November 2018 aufgelöst worden.

Eine generelle anlasslose Überprüfung von verbeamteten Mitgliedern der Jungen Alternative (JA) oder des Flügels sei rechtlich nicht zulässig. Da bereits eine Überprüfung von BeamtInnen auf eine solche Mitgliedschaft hin unzulässig ist, liegen dem Ministerium keine Zahlen vor, um wie viele Personen es in der Debatte geht.

Dessen Sprecherin Schelk betont, dass man bei allen BewerberInnen für den öffentlichen Dienst erst einmal Verfassungstreue voraussetze: „Wir haben keinen Generalverdacht.“ Niedersachsen habe 1990 nach der Abschaffung des Extremistenerlasses bewusst auf Verwaltungsvorschriften oder Fragenkataloge zur Prüfung der persönlichen Eignung von Bewerbern verzichtet.

Bayern handhabt die Aufnahme in den öffentlichen Dienst anders. Dort prüft man, auch mit Verweis auf die Verbeamtung eines Amtsrichters, der sich als Neonazi herausstellte, die Verfassungstreue vor der Verbeamtung mit einem Fragebogen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) wurde kürzlich in der Funke Mediengruppe damit zitiert, er habe sein Haus gebeten, „die Mitgliedschaft und welche Verpflichtungen für einen Beamten entstehen hinsichtlich der politischen Zurückhaltung, noch mal sehr genau zu prüfen“.

Seehofer fügte hinzu, dies gelte gleichermaßen für rechts- wie linksgerichteten Extremismus. Dass daraus dienstrechtliche Konsequenzen für AfD-Mitglieder erwachsen, ist angesichts der gegenwärtigen Rechtslage jedoch zu bezweifeln.

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