Nachruf auf CDU-Politiker Schönbohm: Ein kantiger Konservativer

Reizperson der Linken und prinzipienfester Streithahn: Der Brandenburger CDU-Politiker Jörg Schönbohm ist mit 81 Jahren verstorben.

Jörg Schönbohm winkt

Sagt leise „Servus“: Jörg Schönbohm beim Abschied aus der Landespolitik 2007 Foto: dpa

Er war das, was man eine kantige Type nennt: Jörg Schönbohm. Der CDU-Politiker, Berliner Innensenator, Brandenburgs Innenminister, „Dorflümmel“ und Generalleutnant a.D., ist am Donnerstag verstorben. Er wurde 81 Jahre alt.

An Jörg Schönbohm schieden sich die Geister. Wahlweise galt er als ordnungspolitisches Gesicht der CDU im Osten, aber eben auch als einer, der für seine umstrittenen Überzeugungen einstand. Und Überzeugungen hatte er. Konservativ, vaterländisch, leistungsorientiert, dabei ausgestattet mit jener nur noch selten zu findenden Art von preußischer Striktheit, die den verbalen Schlagabtausch schätzt. Und bis zuletzt gut hörbar: ein Brandenburger. Kaum einer konnte so wunderbar schnoddrig und zackig zugleich diesen Dialekt sprechen. Kaum einer konnte so stark polarisieren.

Der 1937 in Neu Golm, eine Stunde südöstlich von Berlin, geborene Brandenburger wuchs nach dem Krieg in Westdeutschland auf. Nach dem Abitur in Kassel machte er eine steile Karriere bei der Bundeswehr. Im Bundesverteidigungsministerium – damals noch in Bonn – brachte er es bis zum stellvertretenden Leiter des Planungsstabs.

Nach dem Mauerfall, Schönbohm war Anfang fünfzig, wurde er Befehlshaber des Bundeswehrkommandos Ost, er war verantwortlich für die Auflösung der 90.000 Soldaten zählenden Nationalen Volksarmee der DDR. Über diese auch weltpolitisch einmalige Aufgabe schrieb er in den Neunzigerjahren ein Buch.

Mitte der Neunziger wechselte er dann vom Militär in die Politik. Obwohl sein Bruder Wulf damals Planungschef in der CDU-Zentrale war, wurde Jörg Schönbohm erst 1995 Parteimitglied. Auch hier ging es für ihn schnell bergauf. 1996 wurde Schönbohm in Berlin Innensenator einer Großen Koalition. Gut zwei Jahre später gab es keine besetzten Häuser mehr in der Hauptstadt – Jörg Schönbohm wurde zum Feindbild der linken Bewegung. Nach der Abschiebung von 74 bosnischen Flüchtlingen aus Berlin im Juli 1998 geriet der Senator auch öffentlich in die Kritik.

Von Berlin nach Potsdam

1999 wechselte Schönbohm nach Potsdam und war seither Innenminister von Brandenburg und Vorsitzender der heillos zerstrittenen Landes-CDU. Bei der Landtagswahl 1999 trat er als Spitzenkandidat an und führte seine Fraktion in eine zehn Jahre haltende Große Koalition mit der SPD. Als stellvertretender Ministerpräsident hielt er die regierende SPD unter Ministerpräsident Manfred Stolpe, später Matthias Platzeck, im Dauerstress – Schönbohm war keiner, dem es um gute Stimmung ging. Ausschließlich der politische Erfolg zählte.

Für eine Äußerung aus diesen Jahren hat er sich zwar mehrfach entschuldigt – sie blieb gleichwohl im politischen Gedächtnis der Märker haften. Als 2005 bekannt wurde, dass eine Mutter mutmaßlich ihre neun Neugeborenen getötet hatte, machte er in einem Interview die DDR-Vergangenheit verantwortlich „für die Zunahme von Verwahrlosung und Gewaltbereitschaft“ in Brandenburg. Schuld sei „die vom SED-Regime erzwungene Proletarisierung“.

Die Empörung der Brandenburger über die Unterstellung ihres Innenministers relativierte er später. Er entschuldigte sich und nannte seine Äußerung „missverständlich“. Es gehe „nicht darum, die Menschen im Osten verantwortlich zu machen“. Rücktrittsforderungen lehnte er gleichwohl ab.

Tennis und Merkel-Kritik

2003 war Jörg Schönbohm auch für einen Tag Redaktionsmitglied der „Feindes-taz“, einer nur halb freundlichen Übernahme der Zeitung durch ihre taz-KritikerInnen. Sein Beitrag war damals ein Kommentar zur Regierungsfähigkeit der Bundes-SPD und endete mit dem Satz: „Wie mein Vorbild, der preußische General von der Marwitz, zu Recht sagt: Wähle Ungnade, wo Gehorsam keine Ehre bringt.“

Als nach der Landtagswahl 2009 in Brandenburg eine rot-rot Koalition an die Macht kam, zog Jörg Schönbohm sich aus der Politik zurück. Er lebte mit seiner Ehefrau in Kleinmachnow kurz hinter der Berliner Stadtgrenze, spielte Tennis und meldete sich nur noch selten zu Wort. Im Juli 2017 gründete er mit anderen CDUlern noch den Brandenburger „Freiheitlich-Konservativen Aufbruch – die WerteUnion“. Schon kurz darauf distanzierte er sich jedoch wieder von den erbitterten Merkel-Kritikern. Ein Rechter war er nicht. Eher einer aus einer anderen Zeit, in der es schon mal hart zur Sache gehen konnte.

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