Kolumne Blind mit Kind: Raus aus der Komfortzone

Kochen im Kindergarten, Einkaufen im Laden – es gibt viele Herausforderungen für Blinde. Gut, wenn das Kind die Grenzen des Machbaren verschiebt.

Ein Kind sitzt mit einem Teller Nudeln an einem Tisch.

Dank meines Kindes tue ich Dinge, die ich vorher nicht gemacht hätte – wie Kochen in der Kita Foto: Jens Kalaene/dpa

Warum kocht ihr nie im Kinderladen?“, fragt meine Tochter. Weil die Erzieherinnen uns ungefragt vom Elterndienst befreit haben und wir das bequem fanden, lautet die ehrliche Antwort. Aber die gebe ich nicht, weil sie so erklärungsbedürftig ist. „Ihr kocht auch zu Hause!“, insistiert meine Tochter, als hätte sie das geahnt. Ja, aber die Küche dort ist doch so unübersichtlich, weil so viele Leute da kochen und das ist für blinde Eltern …

„Du hast recht, ich werde auch mal kochen!“, sage ich. Die Kinder in unserem Kinderladen freuen sich sehr, wenn ihre Eltern ein, zwei Mal im Monat bei der Essenszubereitung einspringen und zum Essen bleiben. Darf ich meiner Tochter diese Freude vorenthalten, weil mir das Kochen mehr Mühe macht? Die Antwort lautet wohl: Ja, solange ich das vor mir selbst verantworten und es ihr plausibel erklären kann. Will ich jetzt aber nicht mehr – mein Ehrgeiz ist geweckt!

Tschüss Komfortzone – ich lasse mir die Küche zeigen und das nötigste Equipment geben. Nur ich, drei Kilo Kartoffeln, Gemüse und Fischstäbchen und ein Backofen. Habe ich mich richtig an die Einstellungen erinnert? Ich wusel aufgeregt auf der Arbeitsplatte herum und suche – sicherlich noch mehr als sehende Miteltern – erst mal in den Schränken nach allem Möglichen. Gibt es einen Sparschäler? Wo ist das Salz? Ist im Kühlschrank noch Milch? Natürlich gerate ich in Zeitnot und schaffe es erst fertig zu sein, als der hungrige Haufen schon längst von seiner Spielplatztour zurück ist. Eine Platte für die Rohkost muss ich mir doch geben lassen und der Ofen war irgendwie nicht auf Umluft gestellt … aber dann essen alle fleißig. Puh!

Ein Motor, der einen in Bewegung hält

Anstrengend? Auf jeden Fall – aber meine Tochter ist hochzufrieden. Ich auch. Für das nächste Mal wappne ich mich trotzdem gleich zu Hause. Mit meinem Lieblingsmesser und wohl bekannten Gewürzdöschen im Gepäck ist es außerhalb der Komfortzone gleich viel komfortabler. Irgendwann klappt’s auch mit dem Zeitmanagement – Zeit, diese Herausforderung an meinen Mann zu übergeben, passionierter Chefkoch bei uns zu Hause.

Fazit: Raus aus der Komfortzone? Warum nicht – es gibt so viele Dinge, die man nie versucht, weil man sie für unbezwingbar oder zu anstrengend erachtet. Da ist es nicht schlecht, wenn man einen kleinen Motor hat, der einen in Bewegung hält: „Mama, komm da klettern“, oder „Mama, wir können ohne Hilfe im Supermarkt einkaufen!“ Ja, können wir – zu meiner Überraschung mache ich jetzt lauter Dinge, die ich sonst einfach nicht getan hätte.

Aber es gibt Grenzen. Ein Schwimmbad werde ich allein mit kleinem Kind nie betreten – und wenn es mich noch so sehr in Grund und Boden diskutiert! Zu viel Lärm von allen Seiten. Hm, kommt Zeit, kommt Herausforderung!? Ich bin auf jeden Fall schon sehr gespannt, wohin meine Tochter die Grenzen meiner Komfortzone noch verschiebt …

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.