Abgeordnetenhaus Berlin: Schafott statt Schwert

Die rot-rot-grüne Koalition warnt im Parlament die Opposition und vor allem die CDU-Fraktion vor einem Untersuchungsausschuss zur Causa Knabe.

Die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus will einen Untersuchungsausschuss zum Knabe-Rauswurf Foto: dpa

BERLIN taz | Daniel Wesener hält ein bisschen parlamentarische Nachhilfe im Abgeordnetenhaus für angebracht. „Ein Untersuchungsausschuss hat nicht den Zweck, die eigenen Spitzenleute zu köpfen“, sagt der Grünen-Politiker am Donnerstagvormittag Richtung CDU-Fraktion. Die hat gerade angekündigt, dass sie mit einem solchen Ausschuss die Ablösung von Hubertus Knabe aufrollen will, dem langjährigen Chef der Gedenkstätte im Ex-Stasiknast Hohenschönhausen. Aus Sicht der Unionsfraktion war die nämlich politisch motiviert. Weil aber CDU-Landeschefin Monika Grütters in ihrem Hauptjob als Kulturstaatsministerin an der Entlassung maßgeblich beteiligt war, mutmaßt nicht nur Wesener, dass eine Mehrheit der CDU-Fraktion einen U-Ausschuss nutzen will, um die Parteivorsitzende zu demontieren.

Es ist eine merkwürdige Debatte, die das Abgeordnetenhaus über das Mittel des Untersuchungsausschusses führt, der auch nach gängiger Definition kein Schafott, sondern „schärfstes Schwert der Opposition“ ist. Die AfD-Fraktion sieht das Land vor einer Wiedereinführung des Sozialismus und die Linkspartei mächtig mit Geschichtsrevision beschäftigt. Sie setzt zudem die Ablösung von Knabe mit dem Begriff „Säuberung“ gleich – geschichtlich eindeutig auf stalinistischen Terror mit Mil­lio­nen Opfern festgelegt. Torsten Schneider (SPD) wiederum spricht den AfD-Fraktionsvorsitzenden Georg Pazderski, früher Bundeswehroffizier, durchweg mit „Herr Oberst“ an. Die CDU empfindet Antworten des Senats auf ihre Fragen zur Causa Knabe als „liederlich“, die FDP verliert sich in Spitzfindigkeiten.

Es sind der Grüne Wesener, der Linkspartei-Abgeordnete Steffen Zillich und sein Parteifreund, Kultursenator Klaus Lederer, die dem einen ruhigeren Ton entgegensetzen. „Die Arbeit der Gedenkstätte muss fortgesetzt werden“, sie leiste einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, konterte Zillich die AfD. Zudem habe nicht Senator Lederer allein Knabe entlassen, weil der sexuelle Belästigung von Mitarbeiterinnen durch seinen Stellvertreter zugelassen haben soll. Der gesamte Stiftungsrat der Gedenkstätte habe dies einstimmig entschieden – neben Lederer als Chef und einer Mitarbeiterin von Grütters gehörten dem eben auch der Brandenburger CDU-Abgeordnete Dieter Dombrowski an, der selbst über ein Jahr in einem Stasi-Gefängnis saß.

Innensenator Andreas Geisel (SPD) will den schon 2017 angekündigten Entwurf eines erneuerten Polizeigesetzes „noch vor der Sommerpause“ vorlegen. Das kündigte Geisel nach einer CDU-Frage dazu an. In der Koalition lehnt vor allem die Linkspartei weiter mehr Videoüberwachung ab.

Die CDU-Fraktion ist erneut mit einem Missbilligungsantrag gescheitert. Auch FDP und AfD mochten sie nicht bei ihrer Attacke auf Bausenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) unterstützen. Jüngst drängte die CDU bereits vergeblich, Verkehrssenatorin Regine Günther zu missbilligen.

Ihm sei klar gewesen, dass man hinter dem Rauswurf politische Motive vermuten würde, sagt Senator Lederer als Schlussredner: „Aber ich sage Ihnen: Egal in welcher Behörde – wenn wir mit solchen Vorwürfen konfrontiert werden, dann gehen wir dem nach.“ Und warnt die Opposition davor, jene Frauen, deren sexuelle Belästigung zur Entlassung führte, zu Aussagen in einem Ausschuss zu nötigen: „Der menschliche Kollateralschaden steht hinter dem vermuteten politischen Gewinn zurück.“

Eine Abstimmung nach der Debatte bleibt aus – die FDP beantragt Vertagung. Nur mit den Stimmen der CDU würde es für einen Untersuchungsausschuss nach ihren Vorstellungen reichen, die Union aber will einen eigenen Untersuchungsauftrag vorlegen. Man wird sich irgendwie arrangieren – und in ein paar Wochen weiterdiskutieren.

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