Antisemitismus im Fußball: 49,60 Euro Strafe für Judenhass

Im Fußball sind Makkabi-Vereine häufig antisemitischen Angriffen ausgesetzt. Eine Konferenz in Frankfurt beschäftigt sich mit Lösungen.

Mannschaftsbild der B1-Fussballjugend des juedischen Sportklubs Makkabi in Frankfurt am Main

Werden oft antisemitisch beledigt und bedroht: Spieler der Jugendmannschaft von Makkabi Frankfurt Foto: imago/epd

FRANKFURT taz | Ariel Leibovici ist 35 Jahre alt und seit 32 Jahren Mitglied bei Makkabi. Kaum einer kennt den jüdischen Sportverband so gut wie er. Heute ist er sportlicher Leiter des Dachverbands sowie Trainer der zweiten Herrenmannschaft des Frankfurter Ortsvereins. Für sein Team, das so vielfältig ist wie die Frankfurter Stadtgesellschaft, hat er einen Spitznamen: Makkabi International. Nur etwa ein Drittel der Makkabi-Mitglieder sind Juden.

Doch zumindest in den Fußballabteilungen sind alle hin und wieder von antisemitischen Beleidigungen und Drohungen betroffen. Auch körperliche Angriffe hat es immer wieder gegeben. Nur die wenigsten Vorkommnisse werden öffentlich bekannt, erzählt Leibovici bei einem Kongress zum Thema Antisemitismus im Fußball in Frankfurt am vergangenen Donnerstag.

Die Bildungsstätte Anne Frank hat Experten ins Haus des Deutschen Sports eingeladen, um Strategien gegen Judenhass zu diskutieren. „Wenn ich jeden Fall melden würde, hätte ich keine Freizeit mehr“, sagt er. Rufe wie „Free Palestine“ oder „Kindermörder Israel“ würde er fast jede Woche hören. Davon wolle er sich allerdings nicht die Lust am Fußball nehmen lassen.

An manchen Tagen ist das jedoch schwer. 8. April 2018, Kreisoberliga, Leibovics Team ist bei Croatia Frankfurt zu Gast. Immer wenn der Schiedsrichter wegschaut, hätten die Gegenspieler versucht, das Makkabi-Team körperlich anzugreifen. Plötzlich habe der Croatia-Torwart geschrien: „Ich hasse euch Juden!“ Nach dem Spiel sei Leibovici mit dem Tod bedroht worden, schildert er. „So etwas bleibt im Hinterkopf.“

Schnelleres und härteres Durchgreifen gefordert

Bei einem anderen Spiel sei dem Trainerassistenten ins Gesicht geschlagen worden. „Zieh dein Juden­trikot aus“ oder „Du wurdest vergessen zu vergasen“ hätten die Spieler gerufen. „Wir mussten den Schiri mit vier Jungs schützen und zum Auto begleiten, weil sie meinten, wir hätten ihn gekauft“, erzählt Leibovici.

Neben ihm sitzt der 20-jährige Vincent Albera, Schiedsrichterbetreuer bei Makkabi. Er hat einen Brief mitgebracht, den ihm die Mutter eines B-Jugend-Spielers geschickt hat. Bei einem Spiel in der U17-Kreisliga Frankfurt in Griesheim sollen Spieler und Trainer der Heimmannschaft die Makkabi-Spieler und Zuschauer massiv antisemitisch beleidigt und bedroht haben. Die muslimischen Makkabi-Spieler seien dort als „Verräter“ beschimpft worden.

Im Amateurfußball sind es meist muslimische Täter. Bei den Fans des Profifußballs dominiert die rechte Spielart

„Der Trainer drohte uns mit Nasenbruch, mein Sohn wurde bedroht, kaltgestellt zu werden. Zwei unserer Spieler haben das Spielfeld aus Angst verlassen. Ich rief die Polizei, weil ich wirklich Angst hatte, Angst um mein Leben.“ Mehrere Monate später wird der Fall vor dem Sportgericht verhandelt. Die Strafe für Griesheim 02: 49,60 Euro und ein „Konflikttraining“.

Alon Meyer, Präsident von Makkabi Deutschland, fordert ein schnelleres und härteres Durchgreifen gegen solche Teams. Und warnt: „In den letzten Jahren waren die Täter fast ausschließlich Menschen mit muslimisch-arabischem Hintergrund.“ Ihm sei es sehr wichtig, hier nicht zu verallgemeinern. „Doch ich erlaube mir es, das beim Namen zu nennen.“ Michael Gabriel, der die Koordinationsstelle Fanprojekte leitet, sagt, für den Amateurfußball, bei dem vor allem Freunde und Verwandte am Spielfeldrand stehen, sei das sicherlich zutreffend. „Doch in der Fankultur, beim Zuschauersport, ist beim Thema Antisemitismus weiterhin die rechte Spielart dominierend.“

Fanprojekte, die sich mit der israelischen Realität befassen

Er sieht jedoch viele Fortschritte bei dem Thema, lobt Projekte von Fußballfans, die sich mit der Vereinsgeschichte im Nationalsozialismus beschäftigen oder jüdische Biografien von Spielern, Funktionären und Mitgliedern erforschen. „Wenn sich das in eine Haltung des Vereins einbettet, die auch von den Vorständen und Präsidien repräsentiert wird, sind das Rahmenbedingungen, mit denen man ein starkes Gegengewicht gegen Antisemitismus und Rassismus aufbauen kann.“

Es sei allerdings nicht nur wichtig, sich mit den toten, sondern auch mit den lebenden Juden zu beschäftigen. Als Beispiele nennt er Kooperationen von Vereinen mit Makkabi oder Fanprojekte, die sich in Israelreisen mit der israelischen Realität befassen und sich dort mit israelischen Fans austauschen. „Belehrungen kommen gegen Erfahrungen nicht an.“

Nebenan verfolgen junge Fußballfans noch immer den Erfahrungsberichten des Makkabi-Funktionärs Ariel Leibovici. Er betont, dass sein Team weiterhin viel Spaß am Fußball habe. Man merkt, wie leidenschaftlich er bei der Sache ist. „Ich will nicht übertreiben, wir sind nicht in ständiger Angst.“ Doch natürlich bleiben antisemitische Vorfälle nicht folgenlos. Die 2015 neu gegründete dritte Herrenmannschaft von Makkabi Berlin hat sich mittlerweile wieder aufgelöst. Leibovici bringt das mit ständigen Attacken in Verbindung. Zweimal musste sich das Amateurteam in der Kabine verstecken – vor den gegnerischen Spielern.

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