Die Wahrheit: Der Mann, der kein Vogelschiss ist

Schurken, die die Welt beherrschen wollen – heute: Alexander „Anti“ Gauland, der sich oft an den Kopf fasst und ins Leere greift.

AfD-Chef Alexander Gauland formt seine Hände zu einem Fernglas

Blickt selbst durch braune Soße hindurch: Alexander Gauland Foto: Reuters

Wenn es etwas gibt, was ihm jedes Mal einen Pickel auf der dicken Nase blühen lässt, dann der Vorwurf, ein Nazi zu sein. Zwar kam er im Februar 1941 ans Tageslicht, in einer Zeit, als die Nazis Groß und Klein regierten und jeder Mensch vom ersten Atemzug an auf ihr Kommando hörte. Aber es gibt einen gewaltigen Unterschied: Alexander Gaulands Geburt war kein Vogelschiss! Heute weiß man das, und tatsächlich begann schon vier Monate später die Welt für die Nazis aus dem Ruder zu laufen – remember the Russlandfeldzug! Dieser irre Österreicher, der immer alles übertreiben musste!

Außerdem dürfte jedem seiner vollgetankten Kritiker und Beschmutzer klar sein, dass der Vorsitzende der Alternative für Deutschland selbst 1945 noch zu jung war, um ein eingewachsener Nazi zu sein. Ja, nicht einmal Pimpf oder Hitler-Junge war er ­– und ist es bis heute nicht, mit 78 Jahren. Wenn also irgendein Nestbeschmutzer und Ferkel oder selbstverliebter Gutmensch den Völkermord an den Juden und den Weltkrieg oder was er noch alles zur Sprache bringen zu müssen glaubt, der doch gar nicht dabei war, dann soll er eines kritzekratzeklar wissen: Das war ein Vogelschiss, und damit hat Alexander Gauland nichts zu tun, wie oben 1:0 bewiesen. Er ist kein Nazi, jawohl!

Falls es trotzdem noch eines Beweises bedürfte: Er war und ist bis heute selbstredend kein Mitglied der NSDAP. Sondern ist selbstredend Mitglied der AfD, die er seit mehr als einem astreinen Jahr führt. Nicht seit tausend! Ist das klar genug? Dann weggetreten! Allen anderen wird das Lachen noch stramm vergehen. „Wir werden sie jagen!“ Und „in Anatolien entsorgen“. Nein, nicht in Madagaskar, Alexander Gauland ist – reden wir uns denn hier den Mund fusselig?! – kein Nazi. Nebenbei: Persönlich hatte er nichts gegen diese Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özoğuz, Gottes Zoo ist groß. Aber, das vergessen viele zu gern, Anatolien auch!

Dagegen rundum klein und niedlich: Deutschland. Obwohl es langsam porös wird! Aus diesem kühlen Grunde muss Alexander „Iskandar“ Gauland dafür sorgen, dass hier „ein ganzer Apparat, ein ganzes System“ auf den Haufen kommt. Mit der Nazipropaganada gegen die Weimarer „Systemzeit“ hat das selbstverständlich hundertpro nichts zu tun, nein, bis zur Neige nichts zu tun. Weil er, zum Kuckuck, kein Nazi ist!

Volldeutsche Ohren

Gerade deswegen darf er gut und gern mit allen Pauken und Trompeten die Parole „Heute sind wir tolerant und morgen fremd im eigenen Land“ aufgreifen, den die Kapelle „Gigi und Die braunen Stadtmusikanten“ als Refrain ihres Liedes „Tolerant und geisteskrank“ auf der CD „Adolf Hitler lebt!“ in die volldeutschen Ohren trommelt. Was die Lügenpresse mal wieder ungestraft vergisst: Die braune Band irrt, Adolf Hitler ist tot! Und Gauland lebt. Nazi kann er also nicht sein!

Eben weil er keiner ist, konnte er – nur um die hartköpfigsten Kritikaster und verkehrt gewickelten Quertreiber niederzuboxen, bringen wir auch diesen Beleg – konnte Gauland auf dem Kyffhäuser-Treffen der AfD blitzblanken Gewissens einen Schlussstrich unter die Zeit des Nationalsozialismus fordern. Endlich aus und vorbei! Und endlich ohne beißende Vorwürfe linksgrün versiffter Volksfeinde Bildbände und Spielfilme über den heldenhaften Zweiten Weltkrieg voll Rohr genießen! Schließlich haben alle „das Recht, stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“.

Jedenfalls waren das noch Deutsche von waschechtem Schrot und Korn. Heute hingegen dürfen sich fremdgepolte Menschen in uns einnisten und sich im „großen Volksganzen“ dick und breitmachen. Selbst in die heilige deutsche Nationalmannschaft dürfen Fußballer rein, die nicht schon vor ihrer Geburt deutsch waren. Eine Welt, in der man lieber einen schwarzen Jérôme Boateng statt einen hellen Alexander Gauland als Nachbar hat, ist kaputt!

„Hell“, das sollte man auch dem verstopftesten Schmutzfinken ein für alle Mal deutlich machen, ist nicht „braun“. Nein, braun sind doch gerade die Fremden, braun in allen Farben jenseits von Weiß!

Zugegeben, eines muss jetzt leider auf den Tisch: Alexander Gauland war sogar mal schwarz. Aber nur in seinem Kopf, nur im Rahmen der CDU. Dort war er, auch diese hässliche Wahrheit muss jetzt ausgespuckt werden, sogar ziemlich liberal unterwegs. Aber es war nicht seine Schuld, es war der Zeitgeist. Die siebziger, achtziger Jahre, mögen sie für immer begraben sein! Er war Walter Wallmanns spurgenauer Getreuer, als der wie aus dem Nichts erst in Frankfurt am Main zum Oberbürgermeister und dann in Wiesbaden zum hessischen Ministerpräsidenten aufploppte.

Noch 1993, als die erste unmenschliche Flüchtlingswalze über Deutschland rollte, sprach sich Gauland mit flotter Zunge für eine „humane Einwanderungspolitik“ aus und betonte die „Selbstverpflichtung der Gesellschaft zur Generosität“! Wenn er sich heute daran erinnert, fasst er sich an den Kopf – und greift ins Leere. Nein, das hätten linksgetackerte Träumer und wirklichkeitslose Spinner gern. In Wahrheit hat Gauland sein Oberstübchen nicht leergeblasen, sondern räumte mit Stumpf und Stiel auf und justierte die verbliebenen kleinen grauen Zellen neu. Grau, nicht braun, zum Donnerwetter!

Historisch falscher Fuß

Wenngleich Alexander Gauland einige Zeit auf falschem Fuß unterwegs war, kann er deshalb auf 78 Jahre erfolgreicher Geschichte zurückblicken. Dem 21. Jahrhundert sei dafür fett Dank: Der Zeitgeist kehrte sich um, das Untere kam zuoberst, und Gauland fand spät, aber nicht zu spät zu sich selbst.

Ihm höchstpersönlich wurde bewusst, dass ihm die ganze Richtung nicht passt, die „Volksverräter“ wie Angela Merkel mit Volldampf betrieben. Er dagegen sah, dass Schwärme von Ausländern Deutschland „klammheimlich aus einem Nationalstaat in ein Siedlungsgebiet verwandeln“ wollen wie Parasiten die Haut des „Volkskörpers“. Wenn A. Gauland A. Hitler wäre, würde er aus „Mein Kampf“ zitieren und eine dunkle Zukunft an die Wand menetekeln, in der eine Negermasse vom Kongo bis an den Rhein wogt. Aber er ist nicht Hitler. Hitler ist tot, siehe oben, und kann nie mehr wiederkehren.

Außerdem trägt Gauland keine Uniform. Er trägt Tweed-Sakkos wie ein mit Niveau ausgestatteter englischer Landedelmann. Überhaupt die Engländer, diese Teufelskerle haben es schnurgerade zur Weltherrschaft gebracht! Hitler nicht. Was soll er mit ihm? Außerdem genügt es, wir sind alle klüger geworden!, wenn nicht der ganze Globus nach einer einzigen Pfeife tanzt. „Wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen“, das reicht, darin ist sich Gauland sicher bis auf den Grund seiner 1941 geborenen Seele.

So weit, so nah. Doch ein letztes Mal muss ein Missverständnis ausgerottet werden! Als in Chemnitz nach der Ermordung eines deutschen Staatsbürgers durch Asylbewerber das Volk auf breiter Front übers Ufer trat, sagte Gauland: „Wenn eine solche Tötungstat passiert, ist es normal, dass Menschen ausrasten.“ Was er meint: Wenn deutsche Staatsbürger einen Asylbewerber töten, ist es ebenfalls strunznormal, dass die Fremden ausrasten und Jagd auf Deutsche machen. Alexander Gauland ist eben kein Nazi!

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